Neuausrichtung der CSU Söders neuer Stil der Unberechenbarkeit

München · Im November blitzt das „Mia san Mia“-Gefühl der CSU plötzlich wieder auf: Erst beerdigt Parteichef Markus Söder durch die Absage Bayerns den – auch von der CSU im Koalitionsvertrag beschlossenen – Nationalen Bildungsrat.

 Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident

Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident

Foto: dpa/Peter Kneffel

Kurz darauf sperrt sich der Ministerpräsident auch noch gegen eine neue Ferienzeitregel und zeigt damit den anderen Bundesländern die kalte Schulter. Und als reiche dies nicht aus, beschließt der Bundesrat jüngst auf Druck Bayerns eine Reform der Grundsteuer mit einer Länderöffnungsklausel und ein Klimapaket mit einer erhöhten Pendlerpauschale.

Die Beispiele zeigen: Wer durch die seit knapp einem Jahr von der CSU betonte Harmonie (mit der CDU) und Stabilität (in der großen Koalition) ein wenig eingelullt war, der wird nun eines Besseren belehrt. Auch unter Parteichef Markus Söder hat die CSU ihre seit Jahrzehnten gepflegte Unberechenbarkeit nicht verloren – Stabilität hin oder her.

„Stabilität ist nicht meinungslos. Stabilität bedeutet auch nicht, nur dem anderen Recht zu geben“, fasst Söder es zusammen, betont aber auch den aus seiner Sicht entscheidenden Unterschied: „Es kommt auf den Stil an: mit Respekt und Vernunft zu arbeiten und sich in die Rolle eines anderen versetzen zu können.“

Während im Bund und auch in den anderen Bundesländern die bayerischen Forderungen oft für Unmut und Ärger sorgen, kommen sie im Freistaat besser an. Selbst Vertreter anderer Parteien tun sich nachvollziehbar schwer damit, einseitig ausgehandelte Vorteile für Bayern zu kritisieren. Als etwa Bayern im Sommerferienstreit auf stur schaltet, ebbt die Kritik von FDP, SPD und Grünen im Rekordtempo wieder ab.

„Ohne ihre Eigenbröteleien würde die CSU ihr Selbstverständnis preisgegeben“, fasst es der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter zusammen. „Dann wäre sie das, was viele in Berlin gerne hätten – ein weiterer Landesverband der CDU.“ Aus diesem Grund werde die CSU auch nie aufhören, in Berlin Themen durch ihre bayerische Brille zu sehen und zu bewerten. Dies sei ihre einzigartige Lebensversicherung als regionale Partei mit bundesweitem Einfluss. „Es ist längst auch eine Legitimation für jeden CSU-Chef, um den Mitgliedern und den Wählern zeigen zu können, wir sind eigenständig.“

An keiner Partei haftet seit Jahrzehnten so sehr das Image der Unberechenbarkeit wie an der CSU. Und so paradox es auch klingt, letztlich zehrt die Partei hier vom legendären Kreuther Trennungsbeschluss im Jahr 1976. Zur Erinnerung: Damals kündigten die Christsozialen unter Parteichef Franz Josef Strauß ihre Fraktionsgemeinschaft mit der CDU und versetzten so die Bundesrepublik in Aufruhr. Am Ende ordneten sich die CSU‘ler zwar wieder ins Unionsglied ein, doch die Einigung garantiert der CSU bis heute ihr Recht auf eine eigene Meinung in der Unionsfraktion.

Diese eigene Meinung wird aber weniger aggressiv geäußert als zum Beispiel während des jahrelangen Streits mit der CDU über eine von der CSU geforderte Obergrenze für Flüchtlinge. Inzwischen werden sogar in der CDU Stimmen laut nach Söder als Unionskanzlerkandidat. Zwar poltert die CSU insbesondere zu Jahresbeginn traditionell gerne, sobald die Klausur der Landesgruppe im oberbayerischen Seeon ansteht, doch selbst hier ist der neue Geist spürbar. Für Söder ist die CSU intern gereift und zur Ruhe gekommen: „Die CSU ist nach Jahren der Selbstbeschäftigung wieder stärker, weil es ein neues Miteinander gibt.“ Söder, früher für seine Provokationen gefürchtet, sieht darin einen Schlüssel für Erfolge, ohne dass die eigene politische Agenda unter zu viel Harmonie leiden muss.

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