Von Rücktritt, Rausschmiss und Niederlagen

Berlin. Kurt Beck hat den Misstrauensantrag im rheinland-pfälzischen Landtag zwar überstanden, doch nach 18 Jahren im Amt wird die Debatte um seine Ablösung lauter. Der 63-jährige Regierungschef hat den Zeitpunkt verpasst, um auf dem Gipfel des Ruhms abzutreten. Vielleicht eine späte Folge seines Scheitern als SPD-Vorsitzender im Jahr 2007

Berlin. Kurt Beck hat den Misstrauensantrag im rheinland-pfälzischen Landtag zwar überstanden, doch nach 18 Jahren im Amt wird die Debatte um seine Ablösung lauter. Der 63-jährige Regierungschef hat den Zeitpunkt verpasst, um auf dem Gipfel des Ruhms abzutreten. Vielleicht eine späte Folge seines Scheitern als SPD-Vorsitzender im Jahr 2007. "Etwas bitter im Abgang", wird der Weinkenner dereinst vielleicht einmal sagen müssen.Er ist damit nicht allein. Politik ist eine Droge. Macht, Medienpräsenz, "Freundschaften" - die wenigsten Politiker lassen davon freiwillig. Die meisten zögern den Tag der Loslösung hinaus, bis sie gegangen werden. Durch die eigene Partei oder durch die Wähler.

Beispiel Helmut Kohl. Der Kanzler der Einheit war nach 16 Jahren einfach fällig. Zu lange hatte er seine Partei dominiert. Die Maxime des Machterhalts erstickte zuletzt jegliche Kreativität, mögliche Nachfolger wie Wolfgang Schäuble wurden frustriert. Das rächte sich. Bei der Bundestagswahl 1998 waren selbst die Stammwähler der Union seiner überdrüssig. Eberhard Diepgen (CDU), der ähnlich lange in Berlin regierte, verlor sein Amt 2001 nach einer Banken- und Spendenaffäre. Nach elf Jahren bekommt nun auch sein Nachfolger Klaus Wowereit (SPD) Probleme. Die Hauptstädter fragen sich, ob er überhaupt noch Lust auf den Job hat, und verweisen auf die Pannen beim Großflughafen.

Paradebeispiel für innerparteiliches Wegmobben bleibt Edmund Stoiber (CSU). Er hielt sich für unersetzlich, bis er nach 14 Amtsjahren und einem Putsch in Wildbad Kreuth 2007 das Handtuch werfen musste. Und Heide Simonis (SPD) wäre nach 13 Jahren in Schleswig-Holstein wohl besser von selbst gegangen, als sich im Frühjahr 2005 von einem Anonymus aus den eigenen Reihen im Landtag abwählen zu lassen und als "Pattex-Heide", die an ihrem Stuhl klebt, in die Geschichte einzugehen.

Zugegeben, der freiwillige Abgang aus einem Regierungsamt ist schwierig. Benennt der Regierungschef den Nachfolger zu früh und bleibt selbst noch bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt, ist die ganze Regierung gelähmt. Simonis' Nachfolger Peter-Harry Carstensen (CDU) erging es ein bisschen so. Er hatte zudem das Pech, dass der fast zwei Jahre zuvor auserkorene Thronfolger wegen eines Skandals kurz vor der Wahl ersetzt werden musste. Die CDU verlor die Macht in Kiel. Aktuell ist Matthias Platzeck (SPD), der in Brandenburg seit zehn Jahren als Ministerpräsident amtiert, ein Kandidat für den Titel "Verpasster Abgang". Um ihn herum häufen sich die Skandale.

Die einzige Möglichkeit, in Würde zu gehen und die eigene Partei dabei trotzdem in Regierungsverantwortung zu halten, besteht darin, auf der Höhe der Macht abzudanken. Und zwar schnell und schnörkellos. Ein gut vorbereiteter fliegender Übergang zur Mitte einer Legislaturperiode verschafft dem Nachfolger noch Gelegenheit, sich bis zur nächsten regulären Wahl zu profilieren. Erwin Teufel (CDU) ließ sich in Baden-Württemberg 2005 nur sechs Monate Zeit, die Operation gelang. Noch schneller ging in Hessen Roland Koch (CDU) vor: Nach elf Regierungsjahren kündigte er im Sommer 2010 seinen Rücktritt an und vollzog ihn schon drei Monate später. Allerdings hatte Koch ein schickes Jobangebot aus der freien Wirtschaft in der Tasche. Vielleicht ist es das, was Kurt Beck fehlt.

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