Von Helden und Versagern

Meinung · Das Streben nach Erfolg ist eine der stärksten Triebfedern des Menschen, Anerkennung von Leistung "die ultimative Triebbefriedigung" (Felix von Cube). Erfolg macht stark und selbstbewusst, oft auch reich und glücklich

Das Streben nach Erfolg ist eine der stärksten Triebfedern des Menschen, Anerkennung von Leistung "die ultimative Triebbefriedigung" (Felix von Cube). Erfolg macht stark und selbstbewusst, oft auch reich und glücklich. Insofern ist die Lust auf Leistung elementar für das Selbstverständnis der Sportler, die sich im Schweiße ihres Angesichts oft jahrelang quälen, um dem Vergleich standzuhalten und gewinnen zu können. Niemand verliert gerne oder gar extra, natürlich auch nicht die (deutschen) Olympioniken in London.Bei den Spielen 2012 liegen die Athleten aus Deutschland aber vor allem im Verlieren vorn. Ihre bisherigen Leistungen sind jedenfalls auch bei objektiver Betrachtungsweise enttäuschend. 22 Medaillen, darunter fünf goldene, waren bis Sonntag als Trophäen zu registrieren. In Relation zur Bedeutung Deutschlands als bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Nation Europas ist das eine bescheidene Ausbeute. In Bezug zur Erwartungshaltung, die von manchen Offiziellen und Medien im Vorfeld geschürt wurde, könnte man die gebotene Leistung vielleicht sogar als beschämend bezeichnen. Eine Bewertung, die insbesondere für die deutschen Schwimmer gilt, aber auch für Sportler anderer Disziplinen.

Der relative Misserfolg führt nicht nur zu einer tristen Bilanz, sondern auch zur Enttäuschung in deutschen Wohnzimmern. Vielen Fernsehzuschauern und Sportsfreunden sind Stolz und Glücksempfinden ein bisschen abhanden gekommen. Schließlich siegen die Leicht- und Schwerathleten ja stellvertretend für uns alle, haben "wir" gewonnen, wenn es Medaillen gibt, dürfen "wir" stolz sein auf "unsere" Jungs und Mädels. Das ist gesunder Patriotismus, der globalen Charakter hat. Im internationalen Wettkampf liegt zugleich auch das Wesen der Olympischen Spiele, in dem sich Siege und Niederlagen gegenseitig bedingen. Ein Sportsfreund, ein Team und damit eine Nation gewinnt immer, das ist durchaus ein Wert an sich.

Gewiss soll und muss man nachfragen und analysieren, warum viele deutsche Sportler ihre Leistung nicht abrufen konnten oder eben auch versagt haben. Vor allem das deutsche Förder- und Trainingssystem gehört auf den Prüfstand, denn offenbar haben Konkurrenz-Modelle einen deutlich höheren Wirkungsgrad. Doch wie heißt, bitte sehr, noch mal der olympische Gedanke, der gern unterschlagen wird in unserer Leistungsgesellschaft? "Dabei sein ist alles!" Richtig, ein Michael Phelps war mehr als nur dabei, Amerika kann also stolz sein auf solch einen Heroen, der Rekorde für die Ewigkeit aufgestellt hat. Ein kleiner Trost aber bleibt für alle Verlierer: Perfektion à la Phelps ist langweilig. Verlierer regen die Fantasie viel mehr an - und sind damit die eigentlichen, tragischen Helden.

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