Von Alleskönnern und Schnellmerkern

Berlin. Bloß weil der Bus gerade vor der Kliniktür hält und der Arzt Pause macht, wird man den Busfahrer nicht bitten, schnell mal die Notoperation durchzuführen. In der Politik ist so etwas gang und gäbe. Nicht Fachwissen ist gefragt, um Minister zu werden, sondern im Gegenteil, Geschmeidigkeit und die Fähigkeit, sich jederzeit in eine neue Materie einzuarbeiten

Berlin. Bloß weil der Bus gerade vor der Kliniktür hält und der Arzt Pause macht, wird man den Busfahrer nicht bitten, schnell mal die Notoperation durchzuführen. In der Politik ist so etwas gang und gäbe. Nicht Fachwissen ist gefragt, um Minister zu werden, sondern im Gegenteil, Geschmeidigkeit und die Fähigkeit, sich jederzeit in eine neue Materie einzuarbeiten. Expertentum würde da eher stören. In der Politik kann der Arbeitsvermittler des Arbeitsamtes Heidelberg durchaus Entwicklungshilfeminister werden (Dirk Niebel), obwohl er von dieser Materie absolut keine Ahnung hat. Und ein Verwaltungsjurist, der sich in seinem Examen mit Regionalpolitik beschäftigte, wechselt von dem einen Fach, das ihm fremd ist, nämlich Verteidigung, ins andere fremde Fach, das er nicht kennt, nämlich Arbeitsmarkt (Franz Josef Jung). In Spanien stand schon einmal eine 37 Jahre alte Frau, die nicht gedient hatte, der Armee vor, noch dazu hochschwanger. Minister wird man, weil man innerparteilich dran ist. Und ein bestimmtes Ressort bekommt man, weil irgendeine Arithmetik in den Koalitionsverhandlungen das so wollte. Weil der FDP-Mann Brüderle unbedingt Wirtschaft machen wollte und dann auch bekam, erhielt CDU-Mann Schäuble als Ausgleich die Finanzen. Und damit Guttenberg nun ohne Wirtschaftsressort nicht arbeitslos wird, bekommt er die Verteidigung. So lief es. Immerhin, Guttenberg hat sogar gedient, bei den Gebirgsjägern, wenn auch nicht am Hindukusch. Nur Justizminister sollen, so lautet eine ungeschriebene Regel, über juristische Vorkenntnisse verfügen. Da aber ohnehin viele Abgeordnete irgendetwas mit Jura studiert haben - genau gesagt befinden sich 143 Juristen im neuen Bundestag - ist auch das keine Hürde. Politik unterscheidet sich von normalen Berufen dadurch, dass dort Politik gemacht wird. Also etwas, das im Prinzip jeder kann, nämlich Probleme analysieren, Lösungen finden und Entscheidungen treffen. Was man dazu an Fachwissen braucht, kann man sich schnell aneignen. Außerdem stehen die wichtigsten Inhalte fest. Welche Gesetze wie reformiert werden, fixiert der Koalitionsvertrag schon ziemlich genau. Der Minister muss nur noch die Details organisieren, und dafür findet er in den Ministerien eine Vielzahl von versierten Beamten vor. Damit die richtig und in seinem Sinne arbeiten, kann er die Führungsebene politisch bestimmen, kann also die Staatssekretärsposten, zum Teil auch die Abteilungsleiter und seinen persönlichen Stab mit Vertrauten besetzen. Im Regelfall ist es zudem so, dass die Ministerialen den Koalitionsvertrag auf das Sorgfältigste studiert und sich vorauseilend vorbereitet haben, bevor der neue Chef das Haus überhaupt zum ersten Mal betritt. Wer nicht funktioniert, kann im Übrigen leicht in den Ruhestand versetzt werden. Ein Politiker bleibt auch als Minister ein Politiker. Viel wichtiger als Fachwissen ist es für sein Überleben, dass er es versteht, sich im Geflecht einer Regierung und der Öffentlichkeit zu bewegen. Und dass er eine Verankerung in seiner Partei und Rückhalt in der Fraktion hat. Wenn Minister einen schlechten Eindruck machten, dann meist, weil sie sich ungeschickt äußerten, sich in Krisen kopflos verhielten oder Konfrontationen auslösten. Ein Schnellmerker sollte ein Minister schon sein, in gewissem Umfang auch ein Organisationstalent und ein Selbstdarsteller. So gesehen kann Guttenberg noch alles Mögliche werden.

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