Verzagte Demokraten

Die politischen Eliten und die Leitmedien in Deutschland sehen sich unter Rechtfertigungsdruck, seit der Populist Donald Trump in den USA gewählt wurde. Verunsicherung ist spürbar, weil der Milliardär mit Parolen gegen das "System" gepunktet, den angeblich "Vergessenen" eine Stimme gegeben hat. In der Debatte wächst aber die Gefahr, vorschnell oder vorauseilend Positionen zu räumen und unberechtigte Kritik zu legitimieren. Das Phänomen macht auch vor der Saar-Politik nicht halt.

Der jüngste Vorstoß der SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger kann als Beispiel dafür gelten. Die Wirtschaftsministerin sprach sich in einem Positionspapier dafür aus, die Amtszeit der Bundeskanzler auf zehn Jahre zu begrenzen - und kam damit bundesweit in die Medien. Mag sein, dass sie parteitaktischem Kalkül folgte, weil ihr Vorstoß just kam, als Angela Merkel ihren Hut für eine vierte Amtszeit in den Ring warf. Das wäre billig. In der aktuellen Aufgeregtheit liegt aber die Vermutung nahe, dass Rehlinger ein wenig unter dem Eindruck von Donald Trumps Wahlsieg stand. Bei ihm ist Amtszeitbegrenzung ein zentraler Punkt im Kampf gegen das verhasste "Establishment". Wobei Trump allerdings eine Höchstdauer der Abgeordneten-Zeit fordert, die bei Rehlinger (seit zwölf Jahren im Landtag) nicht auftaucht. Aber davon abgesehen: Der Vorschlag Rehlingers und ihr Verweis auf die seit rund 70 Jahren bestehende Regelung für US-Präsidenten erscheint wenig durchdacht. Das parlamentarische System in Deutschland ist mit einem Präsidialsystem nicht zu vergleichen. Ein US-Präsident wird (faktisch) vom Volk am Parlament vorbei gewählt, der Kongress kann ihn nur aus juristischen Gründen absetzen. Die Begrenzung auf zwei "Terms" soll verhindern, dass er dank seines Amtsbonus bei Wahlen unschlagbar wird und eine sanfte Diktatur entsteht. Die Kanzlerdemokratie funktioniert völlig anders, der Amtsträger - meist nur Primus in einer Koalition - kann täglich vom Parlament abgewählt werden. Und eine Diktatur von Angela Merkel an der Seite der SPD ? Seltsame Vorstellung! Nein, wenn die Deutschen Merkel für verbraucht halten, wählen sie sie ab wie Rekordkanzler Helmut Kohl .

Es wäre besser, solche Besonderheiten (und Stärken) unseres Systems offensiv zu vertreten. Ohne den Vorstoß Rehlingers überbewerten zu wollen: Er ist ein Beispiel für die aktuelle Verzagtheit der etablierten Parteien und ermuntert dabei Systemkritik, weil er den billigen Vorwurf bedient, das Spitzenpersonal klebe nur an seinen Ämtern. Solche vorauseilende Selbstbezichtigung der Politik kann Populisten noch stärken: Das zeigen die Folgen der hysterischen CSU-Kritik an der (eigenen) Regierung in der Flüchtlingskrise. Den Fehler sollte keiner wiederholen.

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