Versager Obama, Hoffnungsträger Merkel
Washington · „Alles hängt nun von Angela Merkel ab.“ Der Name der Bundeskanzlerin fällt immer wieder in den Diskussionsrunden, die Amerikas große Nachrichtensender CNN und Fox News zur Krise in der Ukraine abhalten.
Und auch in den gedruckten Medien ist die deutsche Regierungschefin untrennbar mit dem brisanten Thema verbunden. Amerikas Meinungsmacher sind sich mittlerweile ziemlich einig: US-Präsident Barack Obama hat sich von Putin in dem Konflikt ausmanövrieren lassen und offenbart Macht- und Hilflosigkeit, nun muss "Angie" den Karren aus dem Dreck ziehen. Doch an diese Analyse schließen sich gleich auch Zweifel an: Ob denn die Bundeskanzlerin und ihr Außenminister die Kraft für einen "Showdown" hätten - oder ob sie angesichts der deutschen Wirtschaftsinteressen einknicken würden, fragt beispielsweise das "Wall Street Journal".
Auch um seinen Einfluss in dieser zentralen Frage nicht einzubüßen, dürfte Obama an seinen nun fast täglichen Telefonaten mit Merkel festhalten. Bei dem Gespräch am Dienstag hätten beide nach einem Ausweg gesucht, den man Putin anbieten könne, ohne dass dieser sein Gesicht verliert, hieß es in US-Medien gestern. Eine Antwort wurde offenbar noch nicht gefunden. Aufmerksam und mit Sorge registriert hat man in Washington, dass Deutschland erst nach längerem Zögern und dann als letztes Land die G7-Erklärung unterschrieben hatte, mit der die Aussetzung der Vorbereitungen für den G8-Gipfel im Juni in Sotschi bekannt gegeben worden war.
Und dass Außenminister Steinmeier sich zudem überraschend schnell für eine Teilnahme an der Sotschi-Runde ausgesprochen hatte, sorgte ebenfalls für Stirnrunzeln. "Als ob Putin durch mehr Gerede zum Kompromiss gezwungen werden kann", ätzte das "Wall Street Journal" mit Blick auf die deutsche "Diplomatie first"-Position, die wohl auch Gerhard Schröder - "Putins autorisiertem Megafon für die EU" - zu verdanken sei.
Die "New York Times" hält Berlin aufgrund der deutschen Rolle als wichtigster europäischer Handelspartner der Russen für "unverzichtbar" bei der Suche nach einem Krisen-Ende. Die Frage aller Fragen sei jedoch, inwieweit der Druck der Wirtschaft und das Gaslieferungs-Dilemma der Deutschen die Positionen von Merkel und Steinmeier beeinflussen würden. Grundsätzlich müsse zudem die Frage gestellt werden, so der amerikanische Osteuropa-Experte John Vinocur, ob die EU und Berlin die Absicht Putins erkennen würden, die strategische Ordnung Europas und den Status nach dem Kalten Krieg einer Revision zu unterziehen. Denn wenn die Ukraine ihre Unabhängigkeit verliere, so zitiert Vinocur Joschka Fischer, sei die Sicherheit Europas, insbesondere Polens und der Baltischen Staaten, in Gefahr.
Merkel, die kürzlich Putin in einem ihrer Telefonate mit Obama als realitätsfern charakterisiert haben soll, hält allerdings einen besonderen Joker in der Hand, schreibt Vinocur im "Wall Street Journal". Als sich die Kanzlerin 2008, kurz vor der russischen Invasion in Georgien, gegen eine Nato-Mitgliedschaft Georgiens und der Ukraine ausgesprochen hatte, überreichte ihr Putin wenig später einen Füllfederhalter als Geschenk mit den Worten: Er werde nie vergessen, was sie getan habe. Wie Merkel diese Joker-Karte heute jedoch ausspielen werde, sei völlig unklar.