Vermisst: Die FDP

Die politischen Verhältnisse sind wie einbetoniert. Die Bürger würden heute kaum anders wählen als vor 15 Monaten, sie sind zufrieden. Schlechte Zeiten für einen Wiederaufstieg der FDP . Selbst der völlige Untergang dieser traditionsreichen Partei ist nicht mehr ausgeschlossen.

Nichts ist für ewig.

Dabei fehlt die liberale Stimme schon jetzt bitter in der Bundespolitik. Eine Stimme, für die das Erwirtschaften von Wohlstand vor dessen Verteilung kommt, die eine freie Entscheidung des Einzelnen der des Staates vorzieht, die systematisch um gute Bedingungen für Mittelständler kämpft und erst recht staatliche Eingriffe in die Privatsphäre blockiert. Auch wenn man all diese Standpunkte nicht teilt, so haben sie doch ihre Berechtigung. Sie haben, neben Sozialpartnerschaft und Sozialstaat, Anteil am Erfolg unseres Landes. Doch derzeit sitzen im Bundestag nur Parteien, die - abgesehen vom schnell kuschenden Wirtschaftsflügel der Union - Anhänger staatlicher Regelung oder gar Bevormundung sind. Das wird sich noch einmal fatal auswirken, wenn der Antrieb fehlt, das Land besser für die Zukunft aufzustellen.

Der junge FDP-Vorsitzende Christian Lindner stemmt praktisch allein eine riesige Aufgabe und Verantwortung. Damit wiederholen die Liberalen freilich einen Fehler, der auch zu ihrem Untergang beigetragen hat: die Fixierung auf eine einzige Figur an der Spitze. Erst der großspurige Guido Westerwelle , dann der unernste Philipp Rösler . Nun betreiben sie den gleichen Kult um Lindner. Der ist zwar ein begnadeter Redner, neigt aber zu verkopften Theoriedebatten, und so etwas kommt draußen nicht überall an. Immerhin orientiert er seine Partei nach einigem Umherirren nun auf eine Linie, die im Grunde die alte ist, aber klarer. Wirtschaftsliberalismus und liberale Rechtsstaatspolitik, dazu die deutliche Abgrenzung von Euro-Kritikern und Ausländerfeinden. Offenheit, Toleranz, Bildungschancen, Leistung. Das waren die Kernaussagen gestern beim Dreikönigstreffen.

Aber verspieltes Vertrauen braucht lange, um wieder zu wachsen. Auch eine neue Parteifarbe hilft da nicht viel. Nicht vergessen ist der Lobbyismus, mit dem die FDP ihre Ideale von Leistung und Chancengerechtigkeit zugunsten bestimmter, üppig spendender Branchen verriet. Gleiches gilt für den ungezügelten Individualismus in der Führung, der sich aktuell etwa in der Spaltung des Hamburger Landesverbandes zeigt oder in Äußerungen von Parteivize Wolfgang Kubicki , der die Pegida-Demonstranten hofiert. Und überwunden sind auch nicht die modernitätsfeindlichen Kämpfe etwa gegen die Energiewende.

Christian Lindner und die FDP brauchen Konzentration, Disziplin und hohe Frustrationstoleranz, um 2017 überhaupt eine Chance zu haben. Und selbst dann muss das Glück des richtigen Augenblicks dazukommen.

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