Union und SPD nehmen Zusatzbeitrag ins Visier

Berlin · Wenn sich die Arbeitsgruppe Gesundheit heute zum ersten Mal in Berlin versammelt, um einen zentralen Teil des Koalitionsvertrages zwischen SPD und Union auszuhandeln, dann treffen auch zwei unvereinbare Standpunkte aufeinander: Die Genossen würden das bestehende System am liebsten durch eine Bürgerversicherung ersetzen, die auch auf eine Abschaffung der privaten Kassen in ihrer jetzigen Form hinausläuft. Dagegen soll nach Lesart von CDU und CSU im Prinzip alles so bleiben, wie es ist.

Gleichwohl stehen die Chancen für Kompromisse nicht schlecht.

Wichtigster Punkt: Am Gesundheitsfonds, der ein "Kind" der letzten großen Koalition war, will niemand rütteln. Zur Erinnerung: Der Gesundheitsfonds ist ein zentraler Geldsammeltopf, in den die Beiträge und Steuerzuschüsse fließen, und aus dem die gesetzlichen Krankenkassen für jeden Versicherten einen festen Betrag erhalten. Kommen die Kassen damit nicht aus, müssen sie Zusatzbeiträge erheben, die voll zu Lasten der Versicherten gehen. Zusatzbeiträge spielen wegen der guten Konjunktur derzeit praktisch keine Rolle. Fachleute sind sich aber sicher, dass das Problem spätestens in zwei Jahren wieder auftaucht, weil die Kassenausgaben stärker steigen dürften als die Einnahmen.

Ginge es allein nach der SPD, dann sollen die Arbeitgeber künftig wieder den gleichen Beitrag zahlen wie Arbeitnehmer und Rentner. Der geltende Einheitsbeitrag liegt bei 15,5 Prozent. Davon leisten die Arbeitgeber 7,3 Prozent. Der Anteil von Arbeitnehmern und Rentnern beträgt 8,2 Prozent. Zu bezweifeln ist, dass die Union eine komplette Wiederherstellung der Parität mitträgt, die aus Gründen einer Entlastung für die Wirtschaft abgeschafft worden war.

Der Kompromiss könnte in einer Reform der Zusatzbeiträge bestehen. Nach geltendem Recht ist der Zusatzbeitrag eine Pauschale in unbegrenzter Höhe. Um individuelle Härten zu vermeiden, ist aber ein Sozialausgleich aus Steuermitteln vorgesehen. Denkbar wäre nun, den Extra-Obolus künftig prozentual auszugestalten. Dies hätte den Charme, dass sich der komplizierte und am Ende womöglich sehr teure Sozialausgleich erübrigt. Denn wer viel verdient, müsste einen höheren Beitrag entrichten. Obendrein könnte der Zusatzbeitrag paritätisch finanziert werden, was die SPD als Gebot der Gerechtigkeit ansieht. Bislang sind die Arbeitgeber hier außen vor. Unter dem Strich ließe sich so zumindest ein Teil des Bürgerversicherungskonzeptes retten.

Auch an den Privatkassen dürfte einer Neuauflage der großen Koalition nicht spurlos vorübergehen. Bereits 2005 hatte sich Schwarz-Rot im Grundsatz darauf verständigt, dass mehr Wettbewerb einziehen muss. Geprüft werden sollte, ob unzufriedenen Kunden der Kassenwechsel durch die Mitnahme ihrer angesparten Altersrückstellungen erleichtert werden kann. Noch gibt es dafür keine Handhabe.

Deutliche Verbesserungen sind indes bei der Pflegeversicherung zu erwarten. Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie Demenzkranke besser von den Leistungen profitieren können. Entsprechende Konzepte sehen eine Umwandlung der Pflegestufen in Bedarfsgrade vor. Eine Idee, der sich SPD und Union anschließen können. Fragt sich nur, wie teuer die Reform wird. Laut SPD müsste der Pflegebeitrag um 0,5 Punkte steigen. CDU und CSU haben sich dazu noch nicht festgelegt.

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