Ungleiche Glaubensbrüder schließen sich zusammen

Rostock. Den Kirchen-Managern war die Erleichterung anzusehen: Nach jahrelangem Ringen brachten Vertreter der evangelischen Kirchen aus Schleswig-Holstein und Hamburg, Mecklenburg und Pommern am Wochenende die neue "Nordkirche" endgültig auf den Weg. Wie geplant kann sie zu Pfingsten 2012 starten

Rostock. Den Kirchen-Managern war die Erleichterung anzusehen: Nach jahrelangem Ringen brachten Vertreter der evangelischen Kirchen aus Schleswig-Holstein und Hamburg, Mecklenburg und Pommern am Wochenende die neue "Nordkirche" endgültig auf den Weg. Wie geplant kann sie zu Pfingsten 2012 starten. Mit 2,3 Millionen Gläubigen wird die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland, wie sie vollständig heißt, die fünftgrößte evangelische Landeskirche in Deutschland sein.Mehr als zehn Jahre dauerte es bis zum Rostocker Votum der Kirchen-Oberen. Den Anfang markierte ein Kooperationsvertrag zwischen den so ungleichen Kirchen von Nordelbien, Mecklenburg und Pommern. Und es wird noch lange dauern, bis die Nordkirche, die auch ein Brückenschlag zwischen Ost und West sein soll, bei den Gläubigen angekommen ist. Denn noch immer gibt es etliche Skeptiker. Die Entstehung der Nordkirche beruhe vor allem auf der Zwangslage, dass die Kirche - insbesondere im dünnbesiedelten Pommern - unter geringen Mitgliederzahlen und damit unter einer angespannten Finanzlage leidet, meint einer, der ungenannt bleiben will. Und er ergänzt: "Zwänge sind nie gut, wenn man Gemeinsames aufbauen möchte."

Gerade sinkende Mitgliederzahlen und finanzielle Zwänge sind aber in der evangelischen wie in der katholischen Kirche allgegenwärtig - nicht nur im Norden. Fusionen sind eine Variante, dem Trend zu begegnen. Die Nordkirche ist bereits der dritte Zusammenschluss evangelischer Landeskirchen in Deutschland. 2004 entstand aus zwei Kirchen die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz mit 1,1 Millionen Mitgliedern. 2008 folgte die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (rund 850 000 Mitglieder) - auch hier fusionierten zwei Landeskirchen.

In der künftigen Nordkirche suchen noch einige Funktionäre nach den verbindenden Elementen unter den neuen Partnern. Denn die Kirchen auf beiden Seiten der ehemaligen innerdeutschen Grenze unterscheiden sich extrem. Von den knapp 2,3 Millionen Mitgliedern kommen zwei Millionen aus Schleswig-Holstein und Hamburg, nur 193 000 aus Mecklenburg und 93 000 aus Vorpommern. Viele Ost-Kirchenvertreter fürchten nun, die unter schwierigen DDR-Verhältnissen gewachsenen Beziehungen könnten verloren gehen. In den beiden Ost-Kirchen kennt jeder jeden, man ist vertraut miteinander. Ob diese Gefühlslage Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. Denn die Dimensionen der Nordkirche sind riesig, sie reicht von der dänischen bis zur polnischen Grenze. Das Kieler Landeskirchenamt ist für einen Pommern aus Ueckermünde oder Pasewalk fast eine Tagesreise entfernt.

Mancher Nordelbier im Westen befürchtet derweil, künftig mit weniger Geld auskommen zu müssen. Berechnungen zufolge könnten in Schleswig-Holstein und Hamburg bald knapp vier Prozent des derzeitigen Budgets fehlen, während die Kirchenkreise im Osten mit mehr Geld rechnen können.

Trotz aller Bedenken gerade aus seiner Region zeigt sich der pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit optimistisch. "Mit der Nordkirche ist die bestmögliche Kirchengestalt erreicht worden." Zudem bekämen die Gläubigen zunächst nur wenig von der veränderten Struktur mit: "Für sie bleibt die Kirche im Dorf."

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