Und wer bezahlt mein Fahrrad?

Ein Hartz-IV-Empfänger bekommt 150 Euro, wenn er seinen alten Kühlschrank gegen einen energiesparenden tauscht. Das ergibt sozial und ökologisch halbwegs Sinn. 4000 Euro soll künftig bekommen, wer sich einen Elektro-Mercedes zulegt - ohne Armutsnachweis und ohne den alten abwracken zu müssen. Gerne auch einen BMW , Audi oder VW . Zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte soll ein Produkt, noch dazu ein Luxusprodukt, vom Staat direkt bezuschusst werden. Und zwar deshalb, weil es ein Ladenhüter ist. Denn die E-Autos überzeugen die Kunden wegen ihrer geringen Reichweite und hohen Kosten bisher nicht. Wenn es nach diesem Beispiel ginge, müssten die USA dringend den Kauf von Google-Brillen fördern, die will und braucht auch keiner.

Wohl wahr, Deutschland steigt nur ein in einen weltweit laufenden Subventionswettbewerb für E-Autos. Aber warum eigentlich? Die deutsche Auto-Industrie ist eine Branche, die mehr als 350 Milliarden Euro pro Jahr umsetzt und rund 30 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftet. Sie ist locker in der Lage, die 600 Millionen aufzubringen, die jetzt der Staat zuschießt. Vor allem, wenn sie tatsächlich meint, dies sei ein Zukunftsprodukt, mit dem man Märkte erobern müsse. Dann setzt man den Preis eben am Anfang niedriger an, so wie bei jedem Marktstart. Aber die 600 Millionen werden mitgenommen, ein Staatsgeschenk. Auch für die Käufer. In einer Vielzahl der Fälle dürfte davon der Zweitwagen für den Einkauf angeschafft werden - günstig, schick und sooo ökologisch. Apropos ökologisch: Wer subventioniert eigentlich mein neues Fahrrad mit Elektromotor?

Es geht übrigens auch um eine Branche, die anders als in Japan die Elektrifizierung gegen alle Warnungen lange verschlafen und stattdessen auf Diesel gesetzt hat. Auf große Diesel . Und auf ihre politischen Kontakte. Das Ergebnis ist Betrug an Kunden, Bürgern und am Gesetzgeber bei den Abgas- und Verbrauchsmessungen. Dazu kommt Rückstand im Wettbewerb. Braucht Deutschland die Auto-Industrie? Ja, eine leistungsfähige und leistungswillige ist sogar das Herzstück unserer heutigen Wirtschaft. Aber Deutschland braucht keine, der man das Geld praktisch direkt aus dem Staatshaushalt überweisen muss, weil ihre eigene Innovationskraft hinter der Gier nach Boni zurückgefallen ist.

Außerdem: Ob die ganze E-Auto-Strategie verkehrstechnisch und ökologisch eine große Zukunft verspricht, ist doch sehr die Frage. Was ist mit Mobilitätskonzepten unter Einbeziehung aller Verkehrsträger, was mit Mieten, was mit Effizienz? Wenn die Individual-Karossen weiter so protzig gebaut werden wie derzeit, wird die Zukunftsfähigkeit schnell enden. Mit welchem Antrieb auch immer.

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