Medienlandschaft in Erdogans Land Die türkische Presse ist fast vollständig auf Linie

ANKARA Die Türken dürften in den großen Medien ihres Landes künftig noch weniger kritische Berichte über die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan finden als bisher schon: Der regierungsfreundliche Konzern Demirören übernimmt die Mediensparte der Dogan Holding, bei der unter anderem die Zeitung „Hürriyet“ und der Nachrichtensender CNN-Türk zu Hause sind. Anhänger und Kritiker des Präsidenten erwarten eine weitere Durchdringung der Medien. Gleichzeitig sicherten sich die Behörden ein Jahr vor wichtigen Wahlen zusätzliche Kontrollmöglichkeiten über das Internet.

 Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan

Foto: dpa/Kayhan Ozer

Die Übernahme sei der „Sargnagel“ für eine ohnehin todkranke Branche, sagte der unabhängige Journalist Rusen Cakir im Internet-Fernsehsender Medyascope. Demirören lege sich Zeitungen und Fernsehsender lediglich zu dem Zweck zu, der Regierung zu Diensten zu sein. „Eine Ära geht zu Ende“, sagte Cakir: Mit dem geplanten Verkauf für etwa eine Milliarde Dollar gibt es in der Türkei keine großen Medien mehr, die außerhalb des Einflusses der Erdogan-Regierung stehen. Kritische Stimmen gibt es künftig nur noch in kleinen Zeitungen, die von Stiftungen getragen oder von Kleinparteien oder Gewerkschaften unterstützt werden, sowie in Online-Medien.

Laut einer Aufstellung der Zeitung „BirGün“, eine der wenigen verbliebenen regierungskritischen Publikationen, gehören künftig 21 der 29 überregionalen Tageszeitungen der Türkei zu Erdogan-nahen Häusern. Etwa 90 Prozent der Gesamtauflage bei Tageszeitungen sind auf der Linie des Präsidenten. Bei den Fernsehsendern sieht es mit Meinungsvielfalt noch schlechter aus.

Dabei waren die Zeitungen und Fernsehsender des Unternehmers Aydin Dogan keinesfalls radikale Gegner der Regierung. Zwar lästerten die strikt säkular ausgerichteten Dogan-Medien noch im vorigen Jahrzehnt über Erdogan, er könne nach einer Verurteilung wegen Volksverhetzung Ende der 1990er Jahre „nicht einmal Dorfvorsteher“ werden. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Wie die meisten Medienunternehmer der Türkei setzte Dogan seine Zeitungen schon dafür ein, um sich durch publizistische Zugeständnisse an die Regierung handfeste Vorteile für andere Firmenzweige zu verschaffen; unter anderem die Energiebranche.

Dennoch stellt die künftige Konzentration großer Medien im Haus Demirören eine neue Dimension dar. Der Konzern, der den Deal mit Dogan offenbar mit Hilfe einer staatlichen Bank finanziert, ist dem Präsidenten treu ergeben und hat seine Zeitungen auf Regierungskurs getrimmt. Ähnliches wird jetzt für „Hürriyet“ und die anderen Dogan-Medien erwartet.

Selbst Erdogan-Anhänger sprechen von einer eingeebneten Medienlandschaft, allerdings begrüßen sie dies. Der Journalist Cem Kücük etwa freut sich darauf, dass nun alle Journalisten bei den bisherigen Dogan-Medien, die nicht national eingestellt seien, auf die Straße gesetzt würden. In der Medienwelt der Türkei werde von nun an „Frieden“ herrschen.

Dieser „Frieden“ gleicht einer Grabesruhe, die sich auch online ausbreiten könnte. Per Gesetz stärkte das Parlament jetzt die Rolle der Medienaufsicht über das Internet. Online-Sender müssen künftig eine eigene Lizenz beantragen. Damit könnten regierungskritische Sender, die bereits aus dem Satellitenfernsehen verdrängt wurden, jetzt auch im Internet gesperrt werden. Zudem blockiert Ankara den Zugang zu mehreren so genannten VPN-Systemen, die es Internet-Nutzern erlaubt, sich über die Beschränkungen in der Türkei hinwegzusetzen. Die Opposition spricht von Zensur, ist aber machtlos.

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