Fälschungen und Falschmeldungen Ei­ne kur­ze Ge­schich­te der Fake News

DÜSSELDORF Überlebensgroß steht der allmächtige Pharao mit Streitwagen und gewaltigem Bogen vor seinen Feinden, den Hethitern. Getroffen von seinen Pfeilen sinken sie zu Boden. Die Botschaft des in Stein gehauenen Bildes am Tempel im oberägyptischen Karnak ist klar: Pharao Ramses II., der Große, hat einen überwältigenden Sieg über die zweite Großmacht des Nahen Ostens, das in der heutigen Türkei gelegene Hethiterreich, errungen.

Pech nur, dass es sich um eine glatte Falschnachricht handelt, um Fake News. Denn die Schlacht bei Kadesch in Syrien im Jahr 1273 vor Christus, eine der berühmtesten der Weltgeschichte, verlief für Ramses äußerst verlustreich. Er musste sich schmählich zu­rück­zie­hen. Es ist üb­ri­gens der glei­che Ram­ses, der an­geb­lich die Is­rae­li­ten ver­geb­lich durchs Ro­te Meer ver­folgt hat. Merk­wür­dig, dass ausgerechnet die­ser Herr­scher als ei­ner der be­deu­tends­ten des Al­ten Ori­ents gilt. Er­geb­nis ei­ner auf Falsch­mel­dun­gen be­ru­hen­den Pro­pa­gan­da­ma­schi­ne – mit den Mit­teln ei­ner antiken Ge­sell­schaft?

Wie dem auch sei, das Phä­no­men von Fake News gibt es nicht erst im Zeit­al­ter von In­ter­net und so­zia­len Me­di­en. Es be­glei­tet die Men­schen schon, seit sie in die Ge­schich­te ein­ge­tre­ten sind. Tar­nen, trick­sen, täu­schen – die­ses Kon­zept ist so alt wie die Mensch­heit.

Rund 1200 Jah­re nach Ram­ses ver­fass­te ein ehr­gei­zi­ger rö­mi­scher Aris­to­krat ei­nen Be­richt über ei­nen Feld­zug, der bis in un­se­re heu­ti­ge Zeit Ge­ne­ra­tio­nen von La­tein­schü­lern als ers­te Pflichtlek­tü­re dien­te: die Kom­men­ta­re des Feld­herrn Gai­us Ju­li­us Cae­sar über den Gal­li­schen Krieg. Es wa­ren nicht so sehr Falsch­mel­dun­gen, die das eben­so schlich­te wie sti­lis­tisch groß­ar­ti­ge Werk aus­mach­ten. Cae­sar stell­te die Fak­ten so dar, dass aus ei­nem An­griffs- und Ver­nich­tungs­krieg ge­gen Kel­ten und Ger­ma­nen ein Ver­tei­di­gungs­krieg der Rö­mer ge­gen wil­de, ver­trags­brü­chi­ge Bar­ba­ren wur­de. Es war aber Cae­sar, der al­le Ver­trä­ge brach und mit sei­nen Le­gio­nen rund ein Drit­tel der waf­fen­fä­hi­gen Be­völ­ke­rung tö­ten ließ. Doch Cae­sar hat­te Glück. Sein Be­richt ist der ein­zig er­hal­te­ne. Die Sie­ger schrei­ben Ge­schich­te.

Ei­ne klas­si­sche Fäl­schung war ei­ne Schrift, die An­fang des 9. Jahr­hun­derts in den christ­li­chen Klös­tern Nord­frank­reichs ent­stand. Es ging um die „Kon­stan­ti­ni­sche Schen­kung“, ei­nen der größ­ten Be­trugs­fäl­le der Ge­schich­te. Un­be­kann­te Mön­che fälsch­ten in der Zeit Karls des Gro­ßen ei­ne an­geb­lich vom rö­mi­schen Kai­ser Kon­stan­tin aus­ge­stell­te Ur­kun­de, wo­nach die­ser Mon­arch, der um 313 das ver­folg­te Chris­ten­tum le­ga­li­sier­te, das west­li­che Reich dem Papst ver­macht hat­te. Kon­stan­tin selbst war in den Os­ten in sei­ne neue Haupt­stadt Kon­stan­ti­no­pel ge­zo­gen, das heu­ti­ge Is­tan­bul. Der Um­zug stimm­te, aber sonst war al­les er­lo­gen. Die Fäl­schung war aber das wich­tigs­te Ar­gu­ment der Päps­te im Mit­tel­al­ter, ih­re Über­le­gen­heit ge­gen­über dem rö­misch-deut­schen Kai­ser zu be­le­gen. Un­zäh­li­ge Kon­flik­te und Krie­ge wa­ren Fol­ge die­ses Streits.

Die Lis­te der ge­schicht­lich be­deu­ten­den Fäl­schun­gen und Fal­sch­nach­rich­ten ist lang. Auch Luthers Thesenanschlag in Wittenberg 1517 gehört dazu. Be­son­ders ver­hee­rend wa­ren die ge­ziel­ten Falsch- und Gräu­el­mel­dun­gen der NS-Zeit­schrift „Der Stür­mer“. Die heiz­ten den An­ti­se­mi­tis­mus in den 30er Jah­ren so an, dass der Ge­no­zid an den Ju­den auch da­durch mög­lich wur­de. Da­ne­ben neh­men sich Fake News wie vor der Ab­stim­mung über den Brex­it in London oder wäh­rend des Wahl­kampfs des Bauunternehmers Do­nald Trump zum US-Prä­si­den­ten ge­ra­de­zu harm­los aus.

Das größ­te Er­eig­nis der Mensch­heit, Je­su Auf­er­ste­hung, ist von wis­sen­schaft­li­cher Sei­te her nicht halt­bar, die Berichte der Evangelisten demnach also ei­ne Falsch­mel­dung. Doch wel­che Kraft wohnt ihr in­ne? Die Be­grün­dung des Chris­ten­tums. Die Wahr­heit kann eben auch gänz­lich an­ders ge­la­gert sein. So glau­ben es die Chris­ten.

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