Was wird aus Seehofer? Schicksalstage eines bayerischen Strategen

MÜNCHEN (dpa) Eigentlich soll dieser Samstag bei der CSU ganz im Zeichen von Jamaika stehen. Eigentlich. Denn eine Frage schwebt bei den Sondersitzungen von Landtagsfraktion und Parteivorstand über allem: Was will Horst Seehofer? Gibt der angeschlagene Parteichef dem massiven Druck nach und zumindest eines seiner Spitzenämter ab? Und wenn ja, wann? Und an wen? Längst gibt es in der CSU eine übergroße Erwartungshaltung, dass Seehofer den Ministerpräsidentenposten spätestens zur Landtagswahl im kommenden Herbst räumt. Nur: Im Moment weiß noch keiner, wie es weitergeht. Alle warten darauf, dass Seehofer sich – wie versprochen – nach dem Ende der Sondierungen erklärt: wenn nicht gleich am Samstag, dann doch in den Tagen darauf. Folgende Varianten gibt es:

Möglichkeit 1: Seehofer schmeißt hin. Der 68-Jährige kündigt an, im Dezember nicht wieder für den Parteivorsitz zu kandidieren und auch als Ministerpräsident aufzuhören. Dann dürften die Spitzenkandidatur und das Amt des Regierungschefs  auf Finanzminister Markus Söder zulaufen – wobei fraglich ist, ob Seehofer Söder notgedrungen selber vorschlagen würde (das halten viele in der CSU für unwahrscheinlich) oder ob er die Entscheidung einfach der Fraktion überlassen würde. Aber was, wenn Seehofer bis zur Wahl im Amt bleiben und Söder „nur“ zum Spitzenkandidaten machen will? Würde das Söder-Lager das mitmachen?

Und wer wird dann Parteichef? Da die Mehrheit in der Partei davon ausgeht, dass Seehofer Söder kaum die volle Macht überlassen dürfte, käme alternativ am ehesten Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in Betracht. Parteivize Manfred Weber scheidet wohl aus, weil er als Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament zu weit weg ist. Eine Doppelspitze Söder/Dobrindt gilt vielen jedenfalls als realistische Variante – auch weil dann ein regionales Gleichgewicht zwischen dem Franken Söder und dem Oberbayern Dobrindt gegeben wäre. Aber was, wenn Seehofer den Wunsch-Bundesinnenminister Joachim Herrmann als Parteichef vorschlägt? Dann müsste Söder bangen, da die Partei nie zwei Franken an der Spitze akzeptieren dürfte. Würde Herrmann deshalb überhaupt antreten? Und Söder gegen ihn kandidieren? Allerdings dürfte, wenn überhaupt, wohl erst direkt zum Parteitag Mitte Dezember klar sein, ob die CSU wie erhofft das Innenministerium bekommt. Das spricht gegen die Variante Herrmann.

Möglichkeit 2: Seehofer schaltet auf stur und kündigt an, beide Ämter weiterführen zu wollen. Dann, so sagen viele, würde es die Partei zerreißen. Der Parteitag wäre völlig unkalkulierbar, Seehofer würde allenfalls mit einem miserablen Ergebnis wiedergewählt. Und die Folgen für das Landtagswahljahr wären wohl verheerend. Deshalb gilt diese Variante vielen in der Partei mittlerweile als unwahrscheinlich.

Möglichkeit 3: Seehofer kündigt an, nur eines seiner Spitzenämter abzugeben – wohl das Ministerpräsidentenamt. Parteichef aber will er jedenfalls vorerst bleiben, auch um Jamaika endgültig klarzumachen. Das Ministerpräsidentenamt würde dann so oder so auf Söder zulaufen. Seehofer wiederum könnte dann sogar – und das ist immer öfter zu hören – selber als Bundesminister nach Berlin wechseln, beispielsweise als Arbeits- und Sozialminister. Dort fühle sich der Stratege sichtlich wohl, so heißt es, das hätten die Jamaika-Sondierungen ja wieder gezeigt. Diese Variante hätte für die CSU den Reiz, dass die beiden Alphatiere den Karren gemeinsam ziehen: Seehofer, der das maximal Mögliche in Berlin durchsetzen soll; und Söder, der bei der Landtagswahl das Maximale für die CSU herausholen könnte. Andererseits: Vielen scheint eine Doppelspitze Söder/Seehofer aufgrund des schlechten Verhältnisses der beiden kaum vorstellbar.

Möglichkeit 4: Es kommt alles ganz anders. Zum einen: Bei einem möglichen Scheitern der Jamaika-Sondierungen gäbe es noch einmal ganz neue Diskussionen – mit unabsehbaren Folgen. Und zum anderen waren die CSU und Seehofer selbst noch immer für Überraschungen gut.

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