Fünf Wochen vor der Wahl Gemeinsamkeiten mit Schulz helfen Merkel

Berlin (dpa) Ein Duell gewinnt an Reiz, je gegensätzlicher die Kontrahenten sind. Wenn es um konträre Positionen, einander widerstrebende Argumente und grundverschiedene Typen geht. Bei Angela Merkel und Martin Schulz verhält sich die Sache etwas anders.

Berlin (dpa) Ein Duell gewinnt an Reiz, je gegensätzlicher die Kontrahenten sind. Wenn es um konträre Positionen, einander widerstrebende Argumente und grundverschiedene Typen geht. Bei Angela Merkel und Martin Schulz verhält sich die Sache etwas anders.

Die Kanzlerin lässt sich zu keiner Boshaftigkeit über ihren Herausforderer hinreißen. Das wäre nicht ihre Art. Merkels Modus: Sie bedenkt Schulz ab und an mit einer Nettigkeit, nimmt seinen Namen aber so gut wie nie in den Mund. Attacken lässt sie ins Leere laufen. Kritik abperlen. Demonstrative Nichtbeachtung mit einer Spur Gönnertum. Auf die Frage, ob sie Schulz unterschätzt habe, sagte Merkel kürzlich in einem Interview: „Ich unterschätze meine Mitbewerber nie. Ich schätze meine Mitbewerber.“

Schulz wiederum arbeitet sich nach Kräften an der CDU-Chefin ab. Sein Dauer-Vorwurf: Merkel verweigere die inhaltliche Auseinandersetzung. Auf persönliche Attacken verzichtet aber auch er. Der SPD-Vorsitzende ist kein Haudrauf, kein Lautsprecher, eher der sachliche Typ, bodenständig, einigermaßen unprätentiös, zumindest was sein Äußeres angeht. In alldem ist er Merkel sehr ähnlich. Wohl mehr, als ihm lieb ist. Auch inhaltlich liegen die beiden bei vielen Fragen nicht sehr weit auseinander. Das ist für Schulz ein Problem.

In den vergangenen vier Jahren haben Union und SPD ohne große Krisen zusammengearbeitet. Auch auf europäischer Ebene machte Schulz als Präsident des EU-Parlaments ebenfalls viel gemeinsam mit Merkel, auch in der Flüchtlingskrise. Die beiden sind einander nicht unsympathisch. Nun auf kolossale Konfrontation umzuschalten, fällt da schwer. Schulz hat extra kein Regierungsamt übernommen, um Merkel im Wahlkampf besser angreifen zu können. Eigentlich. Tatsächlich hat die Abteilung Attacke aber einer übernommen, der mit am Kabinettstisch sitzt: der Außenminister und Vizekanzler, Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Schulz rackert sich derweil inhaltlich ab, präsentiert Konzepte, Fünf-Punkte-Pläne, Zehn-Punkte-Kataloge. Autos, Rente, Arbeit, Bildung, Soziales, Gerechtigkeit – keines der Schulz-Themen zündet so richtig. Stattdessen kommen immer neue Störfaktoren in die Quere: der Verlust der SPD-geführten Regierungsmehrheit in Niedersachsen etwa oder Ex-SPD-Kanzler Gerhard Schröder auf russischen Abwegen.

Nun sind es nur noch wenige Wochen bis zur Wahl. Die SPD-Leute hoffen auf den Endspurt, auf die heiße Phase vor dem 24. September  – wenn es vielleicht emotionaler wird und die Kandidaten näher ran müssen an die Menschen. Da liege die Stärke von Schulz, meinen sie. Aber ist er wirklich besser im gefühligen Umgang mit dem Bürger? Und welches emotionale Thema könnte den Wahlkampf noch drehen? Ob das einzige TV-Duell der beiden am 3. September da mehr Klarheit bringt?

Seit Wochen liegt der Umfrage-Vorsprung der Union vor der SPD bei gut 15 Punkten. Und auch wenn Schulz tapfer seine Chancen beschwört („Ich werde Kanzler“), sieht es nicht so aus, als könne er den Trend noch umkehren. Interne Querelen dürften Merkel nicht mehr gefährlich werden. CSU-Chef Horst Seehofer hat seine Attacken auf Merkels Asylpolitik vorerst eingestellt.

Und Europa? Es ist Schulz‘ Herzensthema. Er hat angekündigt, Merkel hier zu stellen. Die CDU-Frontfrau reagiert auf ihre Art und betont öffentlich, gerade hier liege die große Gemeinsamkeit. Beide seien schließlich „hoch europäisch“. Das beruhige sie.

Mit dieser dezenten Gemeinheit will Merkel Schulz wohl den Wind aus den Segeln nehmen. Ihre Botschaft: Es gibt hier keine großen Unterschiede. Und warum bitte wechseln, wenn sich beide Optionen so ähneln und sich die eine Variante schon „bewährt“ hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort