Krise um die Türkei Selbst einen Putsch trauen Türken den USA schon zu

Istanbul Rex Tillerson ist als US-Außenminister erst ein paar Monate im Amt, aber die Kunst der diplomatischen Untertreibung beherrscht er wie ein altgedienter Profi. Die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei seien derzeit „ein wenig unter Stress“, sagte Tillerson vor einigen Tagen. Mehr als je zuvor treiben die gegensätzlichen Interessen von Türkei und USA im Syrien-Konflikt einen Keil in die Jahrzehnte alte Partnerschaft. Aus türkischer Sicht erscheint Amerika inzwischen in einem so schlechten Licht, dass sich die Frage stellt, wie das Verhältnis wieder repariert werden kann.

Istanbul Rex Tillerson ist als US-Außenminister erst ein paar Monate im Amt, aber die Kunst der diplomatischen Untertreibung beherrscht er wie ein altgedienter Profi. Die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei seien derzeit „ein wenig unter Stress“, sagte Tillerson vor einigen Tagen. Mehr als je zuvor treiben die gegensätzlichen Interessen von Türkei und USA im Syrien-Konflikt einen Keil in die Jahrzehnte alte Partnerschaft. Aus türkischer Sicht erscheint Amerika inzwischen in einem so schlechten Licht, dass sich die Frage stellt, wie das Verhältnis wieder repariert werden kann.

Die jüngste Eskalation speist sich aus mehreren Quellen, die alle mit der amerikanischen Unterstützung für die kurdische Miliz YPG in Syrien zusammenhängen. Die Trump-Regierung sieht die YPG als wichtigsten Helfer im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS). Dagegen betrachtet die Regierung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan die Kurdenkämpfer als Anhänger der verbotenen Terrorgruppe PKK. Trotz wiederholter Warnungen aus Ankara liefert Washington der YPG schwere Waffen für den Angriff auf die IS-Hauptstadt Rakka. Auch die Stationierung amerikanischer Elitesoldaten im Norden Syriens zur Unterstützung der YPG sorgt in der Türkei für Verärgerung. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu veröffentlichte die genauen Standorte der US-Truppen in Syrien – unter Nato-Partnern ein höchst unfreundlicher Akt.

Bei einem Besuch in Washington im Mai hatte Erdogan vergeblich versucht, US-Präsident Donald Trump zu einer Änderung der amerikanischen Syrien-Politik zu bewegen. Washington argumentiert, die Kooperation mit der YPG sei ein zeitlich begrenztes Zweckbündnis, das die strategische Partnerschaft mit Ankara nicht in Frage stelle. Dagegen wertet Erdogan die US-Entscheidung zur Bewaffnung der YPG als Vertrauensbruch, der die Grundfesten des Verhältnisses zwischen den seit mehr als einem halben Jahrhundert verbündeten Ländern erschüttert. Anders als im Streit mit der EU, in dem Erdogan  derzeit keine weitere Eskalation sucht, sieht die Türkei durch die Haltung der USA in Syrien die eigene nationale Sicherheit direkt bedroht. Regierungstreue Medien in der Türkei sind überzeugt, dass die US-Pläne in Syrien weit über den Kampf gegen den IS hinausgehen. Die Amerikaner wollten einen Kurdenstaat unter ihrer Kontrolle errichten, schrieb die Zeitung „Star“.

Ibrahim Karagül, Chefredakteur der Erdogan-nahen Zeitung „Yeni Safak“, geht noch weiter. Er vermutet, dass die USA von Syrien aus einen neuen Umsturzversuch gegen den türkischen Präsidenten organisieren wollen. Amerika, Europa und Israel strebten die Zerstückelung der Türkei an, schrieb Karagül. Verschwörungstheorien wie diese fallen in der Türkei auf fruchtbaren Boden. Der US-Botschafter in Ankara, John Bass, sieht sich heftiger Kritik gegenüber, weil er vor kurzem nach der Verhaftung von Menschenrechtlern  türkischen Aktivisten einen Solidaritätsbesuch abstattete. Erdogan hatte den Aktivisten öffentlich vorgeworfen, einen Umsturzversuch geplant zu haben. In einer neuen Umfrage des amerikanischen Instituts PEW sagten 72 Prozent der befragten Türken, sie betrachteten die USA als Bedrohung für ihr Land.

Die Entfremdung zwischen Ankara und Washington könnte konkrete Folgen für die Nato haben. Gespräche der Erdogan-Regierung mit Moskau über die Lieferung eines russischen Raketenabwehrsystems an die Türkei sind laut Angaben aus Ankara weit gediehen. US-Regierungsvertreter warnen zwar, das russische System S-400 passe nicht zu den integrierten Waffensystemen der westlichen Verteidigungsallianz. Erdogan zeigte sich davon aber unbeeindruckt.

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