EU-Parlament empört Netzgemeinde Bedroht das Urheberrecht die Freiheit im Netz?

BRÜSSEL Wer das Internet als freien Raum für Informationen, Unterhaltung und sogar für Blödsinn erhalten will, muss die schützen, die das alles liefern. Dazu gehören an vorderster Front die Autoren und Künstler sowie die Verlage, die deren Arbeit finanzieren.

Das ist kein Argument, das man als Verleger-freundlich abtun darf, denn es ist vor allem Internet-freundlich. Ohne die journalistische und künstlerische Arbeit von Fotografen, Kameramännern, Darstellern, Autoren, Komponisten, Sängern oder Musikern wäre das Datennetz blutleer, weil sie nicht nur Inhalte, sondern auch Vorlagen für die Kreativität anderer liefern.

Strittig ist aber, welche Instrumente geeignet sind, die diese Arbeit möglich machen. Für einige Kritiker wurde jedenfalls gestern ein Sargnagel für das freie Internet eingeschlagen. Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments sprach sich mit knapper Mehrheit für zwei grundlegende Neuregelungen im Urheberrecht des Internets aus: die umstrittene Einführung von so genannten Upload-Filtern und ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Letzteres würde es Suchmaschinen unmöglich machen, ohne Erlaubnis Überschriften und Teile von Artikeln in den Suchergebnissen anzuzeigen. Upload-Filter hingegen würden Online-Plattformen verpflichten, zu prüfen, ob Inhalte urheberrechtlich geschützt sind, wenn sie hochgeladen werden. Im Juli wird wohl das Plenum entscheiden, ob das Parlament in Verhandlung mit den EU-Staaten über die neuen Regelungen tritt. Der Widerstand bleibt massiv. Die Piratenpartei rief gestern sogar zu europaweiten Demonstrationen auf.

Tatsächlich ist längst noch nicht klar, ab wann ein schützenswerter Inhalt vorliegt. Einige befürchten, dass schon ein Link, der die Schlagzeile des hinterlegten Artikels enthält, als Leistung gelten könnte, für die jeder zahlen soll, der den Hinweis weitergibt. „Linktax“, also Linksteuer, heißt dieses Instrument. Axel Voss (CDU), Europa-Abgeordneter und Berichterstatter des Parlamentes für das Thema, gibt sich allerdings unaufgeregt: „Links sind nicht betroffen.“ Sie würden nämlich noch keine schöpferische Leistung beinhalten. Das beruhigt Kritiker wie die Piratin Julia Reda, die in der Grünen-Europafraktion sitzt, keineswegs. Sie befürchtet: „Schon ein oder zwei erste Sätze aus einem Artikel könnten künftig unter das Leistungsschutzrecht fallen.“ Was zum Anreißen eines Beitrags gedacht sei, damit der User auf der Verlagsseite weiterliest, dürfe nicht als schützenswerter Inhalt gelten.

Noch mehr treibt die Internet-Gemeinde aber der Upload-Filter um, der alle hochgeladenen Dateien filzt und urheberrechtlich relevante Fotos, Videos, Musikstücke oder Texte erst gar nicht zulässt. Erfahrungen damit gibt es bereits. Googles Video-Portal YouTube nutzt ein entsprechendes System zum Auffinden geschützter Daten und lässt sie erst gar nicht zu. Doch wie weit geht das? Reda sieht nicht nur große Suchmaschinen wie Google, sondern auch Facebook, Wikipedia und sogar Dating-Apps betroffen. Gegner der neuen Regulierung wittern die Gefahr eines „Overblocking“. Aus lauter Angst vor unbedachten Urheberrechtsverstößen könne es zu vorauseilendem Gehorsam, also übermäßigem Blockieren von kritischen Inhalten, kommen. Urheberrecht als Zensur der Online-Medien-Landschaft?

Fakt bleibt aber: Die Mentalität, dass schöpferische Inhalte im Internet nichts kosten dürfen, führt auf Dauer zu deren Versiegen. Das neue Leistungsschutzrecht versucht, ein vielfältiges und qualitativ hochwertiges Angebot sicherzustellen. Die Regeln sind dennoch nur ein Anfang, weil sie zu viele Unklarheiten enthalten. Trotzdem ist es 18 Jahre nach der letzten Neufassung des Schutzrechtes im Netz Zeit für einen nächsten Schritt.

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