Mehr Geld durch neues Gesetz Wahlverlierer sanieren sich auf Steuerzahler-Kosten

BERLIN (dpa) Dietmar Nietan hat erstaunlich gute Laune so früh am Morgen, um 7.30 Uhr beim Frühstück im Bundestagsrestaurant. Der Schatzmeister der SPD grübelt seit Monaten über Sparpläne.

 SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan braucht mehr Geld.

SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan braucht mehr Geld.

Foto: Dietmar Nietan/Susie Knoll

Allein die komplizierte Regierungsbildung mit Sonderparteitagen und dem SPD-Mitgliedervotum hat rund vier Millionen Euro extra gekostet.

Noch so ein Sonderparteitag und Nietan hätte wohl in die Tischkante gebissen. Ihm fehlen wegen des Absturzes auf 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl auch noch jährlich 1,6 Millionen aus der staatlichen Parteienfinanzierung – die wichtigste Einnahmequelle der Partei.

Als Rheinländer kennt Nietan das kölsche Grundgesetz. Artikel 3 lautet: „Et hätt noch immer jot jejange“ („Es ist noch immer gut gegangen“). Dass er vorerst nicht ans Tafelsilber ran muss – die Sozialisten in Frankreich mussten sogar die Parteizentrale verkaufen, liegt auch am Einsatz von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles.

Die hat in kleiner Runde mit ihren Koalitionskollegen Volker Kauder (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) beschlossen, dass die Geldsorgen gelindert werden – auf Kosten der Steuerzahler. Die beiden größten Wahlverlierer Union und SPD wollen die Parteienfinanzierung ausweiten. Von 165 Millionen Höchstgrenze auf 190 Millionen Euro. Davon profitieren auch die Oppositionsparteien, aber in der Summe besonders Union und SPD. Ein Aufschlag um 15 Prozent bedeutet für diese 25 Millionen Euro im Jahr mehr. Die Zuwendungen richten sich nach Wahlergebnissen und anteilig auch nach den selbst erwirtschafteten Mitteln, etwa Mitgliedsbeiträge, Spenden und Zahlungen der Mandatsträger. Zuletzt wurde die Höchstgrenze nicht ganz ausgeschöpft. Der durchschnittliche Anteil der staatlichen Zuschüsse an den Einnahmen einer Partei lag 2017 bei 34,78 Prozent. 20 Parteien bekamen Zuschüsse, von CDU bis Tierschutzpartei, rund 110 Millionen entfielen mit Blick auf Bundes- und Landesebene 2017 allein auf CDU (48,3 Millionen), CSU (11,8 Millionen) und SPD (49,2 Millionen).

Nietan betont: „Es ist nicht so, dass uns das aller finanziellen Probleme entledigt.“ Gespart werden muss trotzdem, zum Beispiel könnten Parteitage etwas spartanischer ausfallen.„Wir wollen mit Inhalten überzeugen statt mit toller Technik und schönen Bildern.“ Nietan berichtet, dass er einen zweistelligen Millionenbetrag seit 2013 allein in die Digitalisierung gesteckt habe. Begründet wird die Rekorderhöhung der Zuschüsse von Union und SPD denn auch primär mit gestiegenen Ausgaben für soziale Medien – die Kommunikation mit Kanälen wie Facebook, Twitter und YouTube ist halt viel aufwendiger geworden, zudem steigen Ausgaben zum Schutz gegen Hackerangriffe.

Und sicher: In Zeiten, in denen die Demokratie unter Druck gerät, ist eine unabhängige Ausstattung der Parteien wichtig, es ist ein anderes Finanzierungssystem als in den USA, wo Millionäre mit Spenden massiv die Politik beeinflussen.

Aus dem CDU-Vorstand heißt es, ohne mehr Mittel werde auch die Verankerung in der Fläche mit eigenen Geschäftsstellen schwieriger, da man mehr Hauptamtliche bezahlen muss, Ehrenamtliche werden weniger. Aber selten wurde ein nicht dringend notwendiges Gesetz mit so viel Tempo durch den Bundestag gepeitscht. Vergangene Woche wurde das von FDP, AfD, Linken und Grünen scharf kritisierte Hauruck-Vorhaben publik und in den Bundestag eingebracht – gerade mal eine Woche später soll es heute final beschlossen werden. Dabei gäbe es auch Alternativen: Doppelstrukturen abschaffen, weniger teure Parteitagsinszenierung, kleinere Vorstände, weniger teure Umfragen, die die ganze Politik inzwischen dominieren.

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