Trumps Gerichts-Show kann das Land prägen

Washington · Analyse Der US-Präsident benennt einen Konservativen für das höchste Gericht. Die Demokraten wollen seine Bestätigung verzögern. Sie haben eine Rechnung offen.

Von seinem Hang zur großen Show konnte Trump auch diesmal nicht lassen. Als er im Kronleuchterglanz des Weißen Hauses stand, um seinen Kandidaten fürs Oberste Gericht vorzustellen, bemühte er einmal mehr den Superlativ. Neil Gorsuch, der seit zehn Jahren an einem Berufungsgericht in Denver arbeitet, sei der "allerbeste Richter" im Land, sagte Trump. Zudem sei das Verfahren, das mit seiner Nominierung endete, der "vielleicht transparenteste juristische Auswahlprozess der Geschichte".

Tatsächlich war es ein Verfahren, das manche an den "Apprentice" denken ließ, an die Reality-Show, in der sich der Fernsehstar Trump als resoluter Entscheider inszenierte. Noch Stunden vor der feierlichen Zeremonie waren zwei Namen im Gespräch, neben Gorsuch auch Thomas Hardiman, ein aus einfachen Verhältnissen stammender Richter aus Pittsburgh. Und als der US-Präsident endlich wissen ließ, wer von beiden den Zuschlag bekommt, tat er es im Stile eines Magiers, der ein Kaninchen aus dem Hut zieht. "Na, war das eine Überraschung? War es das?", fragte Trump.

Abgesehen vom ganzen Drumherum, es ist eine Personalie mit Langzeitwirkung. Weil Verfassungsrichter in den USA auf Lebenszeit berufen werden, könnte der 49 Jahre alte Neil Gorsuch noch Recht sprechen, wenn Trump längst nicht mehr im Weißen Haus residiert. Zunächst aber muss er vom Senat bestätigt werden, und dass das Verfahren ein Hindernisrennen wird, daran hat die Opposition nicht den leisesten Zweifel gelassen. Die Demokraten können, obwohl in der Minderheit, eine Entscheidung durch das Verfahren des Dauerredens ("Filibuster") blockieren.

Dass der Widerstand so ausgeprägt ist, liegt einerseits an dem tiefen Groll, den die Demokraten angesichts der vorangegangen Totalopposition der Republikaner empfinden. Es ist fast elf Monate her, da präsentierte Barack Obama einen Kandidaten, der den im Februar 2016 verstorbenen Antonin Scalia in der Neunerrunde des Supreme Court ersetzen sollte. Merrick Garland, einen liberalen Richter, für den sich nicht nur die Demokraten, sondern auch Republikaner der alten, gemäßigten Schule erwärmen konnten. Die Senatsführung der Konservativen aber weigerte sich, Garland auch nur anzuhören. Schon das erklärt manches, was nun an scharfen Tönen gegen Trumps Favoriten aus den demokratischen Reihen zu hören ist. Andererseits gilt der Harvard- und Oxford-Absolvent Gorsuch als ein stramm konservativer Richter, zwar milde im Ton, aber hart in der Sache. Viele Liberale fürchten, dass er bei Abtreibung, Waffengesetzen und Sterbehilfe kompromisslos konservativ urteilen dürfte.

Seit Scalias Tod herrscht ein Patt am Supreme Court: Vier als liberal geltende Juristen stehen vier konservativen oder im Zweifelsfall zur konservativen Seite neigenden Richtern gegenüber. Wird Gorsuch bestätigt, ändert sich an der Kräftebalance zunächst nur wenig. Anthony Kennedy, häufig das Zünglein an der Waage, dürfte trotz seiner konservativen Grundhaltung auch in Zukunft in Einzelfällen mit den liberalen Kollegen stimmen. Allerdings könnte er, bereits 80 Jahre alt, bald freiwillig aus dem Amt scheiden. Zwei weitere liberale Richter haben die Achtzig fast erreicht beziehungsweise schon überschritten. Es könnte also Trump zufallen, deren Nachfolger zu benennen. Die Folge wäre ein Rechtsruck, der die Balance am Gericht auf Jahrzehnte hinaus kippen könnte.

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