Amtsenthebungsverfahren gegen Trump Der US-Präsident verliert die letzten Hemmungen

Washington · US-Präsident Donald Trump hat erneut rote Linien überschritten, nur diesmal eben in aller Öffentlichkeit. Während die Opposition noch dabei ist, das Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) gegen ihn zu organisieren, bestätigt er den Kern des Verdachts, der diesem Verfahren zugrunde liegt.

 US-Präsident Donald Trump bittet öffentlich China um Ermittlungen gegen Joe Bidens Sohn und damit um Wahlkampfhilfe.

US-Präsident Donald Trump bittet öffentlich China um Ermittlungen gegen Joe Bidens Sohn und damit um Wahlkampfhilfe.

Foto: AP/Evan Vucci

Während die Demokraten damit beschäftigt sind, die Puzzleteile der Ukraine-Affäre zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen, schreibt er schon am nächsten Kapitel der Impeachment-Saga.

Als wäre es völlig selbstverständlich, fordert Trump nunmehr China auf, gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu ermitteln. Das tut er vor laufenden Kameras auf dem Rasen vorm Weißen Haus, nicht wie im Falle Kiews während eines vertraulichen Telefonats, dessen Inhalt nur bekannt wurde, weil ein Whistleblower Alarm schlug.

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wendet sich live vor den Augen der Welt an ein Land, das nicht gerade für seine Rechtsstaatlichkeit bekannt ist, um Munition gegen einen Rivalen im eigenen Wahlkampf zu sammeln. So widersinnig das auf den ersten Blick anmutet, weil er sich damit nur selbst zu schaden scheint, so offenbart dieser Auftritt doch auch ein klares Handlungsmuster. Ein Muster, das sich bewährt hat für Trump. Schon als Immobilienunternehmer handelte er nach der Devise, dass Angriff die beste Verteidigung ist. Umso härter zurückschlagen, wenn man einstecken muss, das war seit jeher Grundsatz seines Vorgehens.

Fakten zählen nicht für den Mann, der seriösen Medien nahezu täglich das Verbreiten von Falschnachrichten vorwirft. Der Präsident will die Debatte bestimmen, mit welcher Erzählung auch immer, ob sie nun einen wahren Kern hat oder frei erfunden ist. Eine Inflation von immer neuen Gerüchten, Verästelungen, Randnotizen in der Debatte um ein Amtsenthebungsverfahren soll das Publikum ermüden, es den Überblick wie das Interesse verlieren lassen. Dass Trump bei alledem die Hemmschwelle in der politischen Auseinandersetzung noch weiter senkt, stört ihn nicht. Es hat ihn noch nie gestört.

Indem er sich live im Fernsehen an Peking wendet, versucht er nahezulegen, dass nichts dabei ist, jene Grenze zu ignorieren, die seine Vorgänger im Weißen Haus noch respektiert haben. Die Gesetze seines Landes verbieten dem Präsidenten ausdrücklich, im Zusammenhang mit einer amerikanischen Wahl um ausländische Hilfe zu bitten oder sie anzunehmen, falls sie denn angeboten wird. Und dass Trump Joe Bidens Sohn Hunter ins Visier nimmt, dass er Kiew und Peking anstachelt, Verstrickungen des Juniors in ukrainische oder auch chinesische Korruptionsgeflechte zu untersuchen, hat nun mal allein mit der Abstimmung im kommenden Jahr zu tun.

Es waren die Wutausbrüche und die Verdächtigungen Trumps, die in den vergangenen Tagen für Schlagzeilen sorgten. Sein Auftreten und seine Äußerungen legen die Schlussfolgerung nahe: Dieser Präsident hat keinerlei Achtung vor dem rechtlichen Fundament, auf dem die amerikanische Demokratie steht. Demzufolge hat Trump auch keine Hemmungen, fremde Mächte einzuspannen, damit er sich in einer Schlammschlacht von vielleicht noch nie erlebter Härte seine Wiederwahl sichern kann.

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