Parlamentswahl in Kanada Kanadas Premier muss Abwahl fürchten

Ottawa · Der Regierungsstuhl vom einstigen Polit-Superstar Justin Trudeau wackelt. Wenige Tage vor der kanadischen Parlamentswahl am 21. Oktober liegen die beiden größten Parteien im Land in Umfragen nah beieinander.

 Justin Trudeau, Premierminister von Kanada, ist nicht mehr der gefeierte Held.

Justin Trudeau, Premierminister von Kanada, ist nicht mehr der gefeierte Held.

Foto: dpa/Sean Kilpatrick

Angetreten als liberaler Held und seit 2016 als „Anti-Trump“ betitelt hatte Trudeau in den vergangenen Monaten nicht viel zu feiern. Erst wurde öffentlich, dass er Ermittlungen gegen das kanadische Unternehmen SNC-Lavalin wegen Schmiergeldzahlungen in Libyen unterdrücken wollte – eine Ethik-Kommission kam zu dem Schluss, dass Trudeau sich falsch verhalten hatte. Im September dann tauchte ein 20 Jahre altes Bild auf, das Trudeau mit dunkel geschminktem Gesicht – verkleidet als Aladdin – auf einer Party zeigte.

Doch die Skandale schadeten ihm nicht in dem Maße, wie seine Gegner hofften. Die meisten Kanadier seien der Meinung, Trudeau besser zu kennen, erklärt Meinungsforscher David Coletto, Chef der Firma Abacus Data in Ottawa. „Das ist 20 Jahre her, und wenn Sie auf seine Karriere als Politiker schauen, sehen Sie, dass es nicht passt.“ Schließlich habe Trudeau Minderheiten eingebunden.

Nichtsdestotrotz: Viele sind ernüchtert, dass Trudeau einige seiner Versprechen – eine Wahlrechtsreform oder ein ausgeglichener Haushalt bis 2019 – nicht gehalten hat. Kritiker empfinden auch seine Klimapolitik trotz der Einführung einer CO2-Steuer als nicht weitreichend genug.

Doch es gab auch Erfolge: eine bessere Unterstützung für einkommensschwache Familien, die recht reibungslose Legalisierung von Cannabis und die Rettung des zwischenzeitlich am Abgrund stehenden Handelsabkommens Nafta mit den USA und Mexiko. Die „sonnigen Wege“ aber, mit denen Trudeau Transparenz und Ehrlichkeit versprach, lagen in den vergangenen vier Jahren zu oft im Schatten. „Ich sage immer, er ist zu einem normalen Politiker geworden“, meint Coletto.

Das größte Glück der Liberalen aber ist der farblose Andrew Scheer, sein Herausforderer von der konservativen Partei. Wenn man Kanadier nach ihm fragt, kommt selten Euphorie auf. Viele der 37 Millionen Einwohner Kanadas tendieren zu liberaler und linker Politik. Scheers konservative Ansichten etwa zu Abtreibung oder Schwulenehe kommen bei ihnen nicht gut an. Und es hilft anscheinend nur wenig, wenn dieser ohne Ende wiederholt, die Offenheit bestehender Gesetze nicht antasten zu wollen.

Einen ganz anderen Weg dagegen will Scheer in Sachen Klima gehen. „Die CO2-Steuer hat die Kosten auf die Dinge erhöht, die wir jeden Tag brauchen“, wetterte er. Sein Klima-Programm soll den Kanadiern nicht wehtun. Kritiker halten es für entsprechend wirkungslos. Stattdessen buhlt Scheer beim zweiten großen Wahlkampfthema – der Angst vor steigenden Preisen – um die Gunst der Wähler. Was sich mit einer Regierung unter seiner Führung sonst ändern würde, bleibt in vielen Bereichen unklar. Wirtschaftlich trauen die Bürger den Konservativen traditionell viel zu, doch die Ökonomie boomt ohnehin. Und ob ein Premier Scheer mit US-Präsident Donald Trump besser auskommen würde? Berlin jedenfalls würde Trudeau als verlässlichen internationalen Partner wohl vermissen.

Die Umfragen deuten darauf hin, dass keine der Parteien die absolute Mehrheit von 170 Sitzen erreichen kann. Im Falle nötigen Minderheitsregierung – in Kanada nichts Ungewöhnliches – würde die Stunde der kleinen Parteien schlagen. Ausschlaggebend könnten am Ende neben Yves-François Blanchet vom regionalen Bloc Québécois die Sozialdemokraten von Jagmeet Singh sein. Anders als Blanchet hatte Singh klargemacht, Scheer nicht unterstützen zu wollen.

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