Treffen der Zerstrittenen
Riad · Zum ersten Mal seit Beginn des Syrien-Krieges vor viereinhalb Jahren setzen sich Vertreter bewaffneter Rebellen mit der politischen Opposition an einen Tisch, um eine Friedenslösung zu finden. Ausgerechnet das repressive Saudi-Arabien, Geburtsstätte der radikalen salafistischen Ideologie, die die Basis für Terrorgruppen bildet, hat die Suche nach "gemäßigten" Rebellen übernommen.
Bis zur letzten Sekunde wurde gerungen, gezerrt und gefeilscht. Über Tage kursierten Listen mit Namen syrischer Oppositioneller, die ab heute an der Einigungskonferenz in Riad teilnehmen sollen. Personen wurden vorgeschlagen, gestrichen und durch andere ersetzt. Diplomaten übten Druck aus. Kurzerhand vergrößerte Gastgeber Saudi-Arabien die Zahl der Teilnehmer. Schon das Vorspiel zeigt: Für Syriens Opposition geht es bei dem Treffen im Königreich um sehr viel.
Seit Jahren stehen die Gegner von Präsident Baschar al-Assad im Ruf, ein zerstrittener Haufen zu sein. Die Rebellenszene ist extrem kompliziert. Eine repräsentative Vertretung zusammenzustellen, erscheint daher fast unlösbar. Experten schätzen die Zahl der kämpfenden Gruppen auf 1500. Davon sind 14 militärisch bedeutend, allen voran der "Islamische Staat" und der Al-Qaida-Ableger "Nusra". Beide sind ebenso wenig nach Riad geladen wie die kurdischen "Volksverteidigungseinheiten", der militärisch wichtigste und effizienteste Partner des Westens im Kampf gegen den IS.
Dennoch soll Syriens Opposition auf Druck der ausländischen Mächte jetzt die Reihen schließen. Ziel ist es, dass sich die rund 100 Teilnehmer auf eine gemeinsame Position und Delegation für Verhandlungen mit dem Regime einigen, die im Januar beginnen sollen. So hat es die internationale Gemeinschaft in Wien beschlossen, die sich dort zu einem neuen Fahrplan für eine Lösung des Bürgerkriegs durchringen konnte. Friedensgespräche wären der nächste Schritt auf dem Weg Richtung Übergangsregierung und Wahlen in 18 Monaten.
Die Ambitionen der ausländischen Mächte könnten allerdings schon in Riad einen herben Rückschlag erleiden, sollte die Konferenz scheitern. Vor allem das Schicksal Assads ist weiter umstritten. Die meisten seiner Gegner wollen den sofortigen Abgang. "Jede Übergangsregierung mit Assad hat keine Glaubwürdigkeit", sagt etwa Samir Naschar, führender Vertreter der in Istanbul ansässigen Nationalen Syrischen Koalition. Schließlich sei das Regime ein größerer Terrorist als der IS. Auch viele Vertreter der Inlandsopposition sehen keine Zukunft für Assad, wollen die Entscheidung darüber aber den Syrern überlassen.
Sollte es in Riad trotzdem zu einer Einigung kommen, könnte es noch vor Weihnachten die nächste große Syrien-Konferenz geben. Als Termin ist der 18./19. Dezember im Gespräch - dieses Mal nicht in Wien, sondern in New York. Im Anschluss könnte gleich der UN-Sicherheitsrat etwaige Beschlüsse absegnen und ihnen so ein stärkeres Gewicht geben.
Auch die internationale Diplomatie lief in den vergangenen Tagen auf Hochtouren. Beim Weltklimagipfel in Paris, beim OSZE-Treffen in Belgrad, bei verschiedenen anderen Gelegenheiten - stets wurde zwischen Präsidenten, Regierungschefs und Außenministern auch über Syrien gesprochen. Die Tendenz laut deutscher Seite: "Es ist sehr mühsam, aber es geht voran."