Traum oder Albtraum?

Die Nachricht aus den USA weckt Hoffnungen, aber auch Sorgen und Ängste. „Ein Durchbruch“ in der Stammzell-Forschung, heißt es aus Portland: Erstmals sei es der Wissenschaft gelungen, menschliche Embryonen zu klonen.

Was klingt wie aus dem Kabinett des Dr. Frankenstein, ist bei näherer Betrachtung die logische Folge einer Entwicklung, die sich seit langem angedeutet hat - und die nicht mehr aufzuhalten ist.

Die Debatte über den Missbrauch und die Möglichkeiten der Stammzell-Forschung währt schon viele Jahrzehnte, sie war und ist geprägt von gigantischen Erwartungen und großer Furcht vor einer Technologie, die "omnipotente Zellen" verfügbar machen kann. In dem Wort Omnipotenz bündelt sich die ganze Problematik eines Themas, bei dem es keine zufriedenstellenden Antworten gibt. Das Wort beflügelt die Allmachts-Fantasien der Forscher ebenso wie die Befürchtungen der Skeptiker, in ihm spiegelt sich das ganze ethische Dilemma wider.

Traum oder Albtraum? Nicht nur die deutsche Nation bleibt gespalten in der Frage der Stammzell-Forschung. Doch bei allem Verständnis für die Warnungen, der Mensch plustere sich auf, er maße sich an, Gott zu spielen und Designer-Babys zu züchten: Die fantastischen Möglichkeiten des therapeutischen Klonens wiegen schwerer. Die Frage der Würde stellt sich ja nicht nur im Umgang mit embryonalen Stammzellen. Sondern auch im Umgang mit schwerkranken Menschen. Selbstverständlich leitet sich die Pflicht zur Hilfe und Heilung auch aus den konkreten Möglichkeiten ab, die jeweils zur Verfügung stehen. Die Frage der Würde ist immer auch eine Frage der Perspektive: Wer an Parkinson oder Multipler Sklerose leidet, an schwerer Diabetes oder Herzinsuffizienz, der entwickelt ein anderes Bewusstsein als der (gesunde) Mensch, der dem embryonalen Lebensschutz oberste Priorität einräumt.

Der Riss geht jedenfalls quer durch Parteien, Verbände und auch Familien. Je nach Standpunkt und gedanklichem Ansatz sieht dieser mehr Chancen, jener mehr Risiken in einer Technologie, die sich den klassischen Kategorien von "gut" und "böse" entzieht. Mit dem Durchbruch von Portland gewinnt die Stammzell-Forschung nun eine neue Qualität. Und so tapfer der Kampf der Gesinnungsethiker, "dem Herrgott nicht ins Handwerk zu pfuschen", auch sein mag: Ein globaler Stopp des therapeutischen Klonens ist illusorisch. Damit das verwerfliche reproduktive Klonen (von Menschen) aber tatsächlich tabu bleibt, kann und muss die Völkergemeinschaft tätig werden. Wenn ein Verbot rechtlich seriös unterfüttert und ein Verstoß dagegen mit gravierender Strafandrohung verbunden ist, sollte zumindest diese Gefahr des Missbrauchs gebannt sein.

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