Tödliche Lektion

Für die Hoffnung, die mit diesem Freundschaftsvertrag verbunden sind, starben Menschen auf dem Maidan-Platz in Kiew . Und in den Wirren nach dem Aufstand zerbarst die sicher geglaubte Friedensordnung zwischen Ost und West.

Krieg schien nicht mehr undenkbar, für viele Ukrainer wurde er bittere Wirklichkeit. Und während man gestern in Straßburg und Kiew von einem "historischen Moment" sprach, gingen die bewaffneten Auseinandersetzungen in der Ostukraine weiter. Der Freundschaftsvertrag ist ein Symbol, aber leider keines, das strahlend neue Zeiten ankündigt .

Es wurden Fehler gemacht, auf allen Seiten. Das Aussetzen des wirtschaftlichen Vertragsteils zeigt, dass die EU verstanden hat: Man kann die Ukraine nicht aus dem ökonomischen Geflecht mit ihren Nachbarn herauslösen und ausschließlich an Europa oder an Russland binden. Das haben Brüssel und Moskau versucht. Blutvergießen war die Folge. Dass sich das Parlament in Kiew wenige Stunden vor der feierlichen Ratifizierung mit den europäischen Abgeordneten bereit erklärte, der umstrittenen Region Donezk Sonderrechte einzuräumen, ist für einen künftigen Frieden vielleicht mehr wert als der Vertrag mit Europa. Wenn dieses Dokument den Weg zu einer neuen Ukraine ebnen soll, dann muss es zusammen mit Moskau nachverhandelt wer den. Das heißt nicht, dass man den Vertrag ändern sollte. Aber ein Land, das seine Position im politischen Koordinatensystem einer Region neu festlegen will, kann dies nicht tun, ohne seine Nachbarn zu beteiligen.

Solange in der Ukraine noch gekämpft und gestorben wird, mag es zu früh sein, um über eine Nachkriegsordnung und eine Wiederbelebung der europäischen Sicherheitsarchitektur zu sprechen. Doch genau das ist nötig. Die EU wird ebenso wie die Nato lernen müssen, dass man bei weiteren Kontakten in diese Region das Sicherheitsbedürfnis Russlands mitdenken sollte. Wer Richtung Kasachstan, Weißrussland oder Moldawien winkt und von einer schönen Zukunft in Europas Armen schwärmt, darf davon ausgehen, dass Moskau das nicht gut findet. Andererseits wird Putin begreifen müssen, dass man Sicherheit für das eigene Land nicht bekommen kann, wenn man internationale Abkommen und Grundwerte eiskalt missachtet und zu den Waffen greift.

Der Freundschaftsvertrag mit der Ukraine gewährt dem Land und seinen Einwohnern Freiheiten, die für uns selbstverständlich sind. Damit muss man in Kiew ebenso umgehen lernen wie in Moskau . Andererseits sollte auch die EU langsam erkennen, dass sie nicht die ganze Welt missionieren kann. Das gestern rati fizierte Vertragswerk wird viel bringen, wenn alle Beteiligten verstehen, dass die Bestimmungen nicht nur die EU und die Ukraine etwas angehen. Sondern auch deren Nachbarn . Erst dann ist das Dokument wirklich ein historischer Meilen stein.

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