Teheran verscheucht die Taube

Meinung · Amerikas smarter Hoffnungsträger Barack Obama scheint es wirklich ernst zu meinen mit dem angekündigten Neubeginn. In Überfliegermanier zieht er weltweit alle diplomatischen Register: Erst richtet er versöhnliche Worte an die radikalen Taliban, nun sendet er dem Iran zum persischen Neujahrsfest per Videobotschaft einen ersten zarten Ölzweig

Amerikas smarter Hoffnungsträger Barack Obama scheint es wirklich ernst zu meinen mit dem angekündigten Neubeginn. In Überfliegermanier zieht er weltweit alle diplomatischen Register: Erst richtet er versöhnliche Worte an die radikalen Taliban, nun sendet er dem Iran zum persischen Neujahrsfest per Videobotschaft einen ersten zarten Ölzweig. Den Zeitpunkt hat er strategisch ebenso clever gewählt wie die Worte. Sein Appell an die "wahre Größe des iranischen Volkes" dürfte an einem gefühlsbewegten Festtag die Volksseele trefflich berühren. Nun wäre der milden Stimme aus Washington auch die entscheidende Nachhaltigkeit zu wünschen - just zu einem Zeitpunkt zudem, da ein neuer Reformer am Teheraner Polithimmel aufgetaucht ist. Allerdings ist noch nicht sicher, ob der gemäßigte Präsidentschaftskandidat Mir-Hossein Mussawi am Ende Gnade vor den Augen der Mullahs findet und bei den Wahlen im Juni antreten darf. Gleichwohl sollte die Botschaft der Taube aus Washington auch das patriotische Gemüt der Mullahs samt ihres maliziösen Regierungschefs Mahmud Ahmadinedschad ein wenig kitzeln: Die USA wollten, dass "die Islamische Republik Iran ihren rechtmäßigen Platz in der Gemeinschaft der Nationen einnimmt". Das klingt nach Größe.Doch der Ball aus Übersee wird von der Führung im Iran mit dem hinlänglich bekannten Ungeschick und Unverständnis für jedes diplomatische Taktgefühl sogleich zurückgeschossen. Statt einer versöhnlichen Geste schwappen grobe Forderungen und arrogante Ansprüche aus Teheran ins Weiße Haus: die Aufforderung zur Reue und zur Abkehr von einer Politik der Sanktionen, die Washington als Antwort auf das kompromisslose iranische Atomprogramm und die Drohungen gegen Israel verhängt hatte. Zugleich wird ausgerechnet jetzt die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Buschehr am Persischen Golf angekündigt. Geht's noch provozierender? Unfähig zum Dialog, auch über mögliche berechtigte Besorgnis vor den hochgerüsteten Nachbarn Pakistan und Indien, begreift der Iran die Gunst der Stunde nicht. Und führt der Welt in der Nach-Bush-Ära anschaulich vor Augen, dass ein "gutes" Amerika noch längst keinen "guten" Iran schafft. Dennoch bestehen Chancen, dass Obamas Vorstoß Früchte trägt - und wenn es die Zerstörung des Feindbildes Amerika ist. Eines der Feindbilder, die ein Regime wie das Ahmadinedschads zum Überleben braucht. Weil es nur auf diese Weise von seiner Unfähigkeit abzulenken vermag, seinem Volk den versprochenen Wohlstand zu bringen. Aber vielleicht haben die iranischen Wähler das ja schon begriffen.

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