Tanken an der Steckdose reicht als Vision nicht aus

Berlin. Die Welt macht sich auf in die elektromobile Zukunft. Und Deutschland ist nun doch vorne mit dabei, nachdem Berlin zunächst den Start verschlafen hatte. Man sollte sich allerdings nichts vormachen: So revolutionär ist das E-Auto nicht, das da nun entwickelt wird. Eigentlich ist es bloß die Fortsetzung des gewohnten Individualverkehrs mit einem anderen Motor

Berlin. Die Welt macht sich auf in die elektromobile Zukunft. Und Deutschland ist nun doch vorne mit dabei, nachdem Berlin zunächst den Start verschlafen hatte. Man sollte sich allerdings nichts vormachen: So revolutionär ist das E-Auto nicht, das da nun entwickelt wird. Eigentlich ist es bloß die Fortsetzung des gewohnten Individualverkehrs mit einem anderen Motor. Das Elektromobil kann das Problem der Ölknappheit beantworten und - sofern der Strom aus erneuerbaren Energien kommt - zum Teil auch das des Klimawandels. Aber es ist deshalb noch kein neues Konzept von Mobilität, sondern das Gleiche in Grün. Ein Auto ist gegenwärtig eine einem einzelnen Besitzer gehörende, sehr komplexe und sehr teure Kiste mit der Aufgabe, diesen Besitzer von A nach B zu bringen. Meist nur ihn allein. Dafür ist es 1,0 bis 2,5 Tonnen schwer, selbst wenn der Besitzer nur 50 Kilogramm wiegt, und zu seiner Herstellung wird entsprechend viel Material und Energie benötigt. All das wird aufgewendet, damit das Produkt dann zu mehr als 90 Prozent seiner Zeit ungenutzt herumsteht, dabei allerdings viel Wert und Fläche verbrauchend. Andernfalls fährt es im Durchschnitt 30 Kilometer pro Tag (Diesel-Fahrzeuge: 50 Kilometer). Das Auto ist aber noch mehr. Es ist auch ein individueller Ausdruck seines Halters, eine Art Außenform seines Ich und Bühne seiner Eitelkeit. Am Ende geht es um Lifestyle. Beim E-Auto mit seinen fast endlosen Möglichkeiten, zusätzlichen Schnickschnack einzubauen, wird das wahrscheinlich sogar noch mehr der Fall sein als heute. Dieses Auto-Konzept entspricht den Interessen der Hersteller und ebenso der Konsumenten. Und dieses Konzept bleibt nach derzeitiger Planung auch beim Elektromobil der Kern der Dinge. Bloß: So wird das E-Auto nie und nimmer die Mobilitätsbedürfnisse von bald neun Milliarden Menschen auf dem Planeten erfüllen können. Die Ressourcen der Erde werden das schlicht nicht hergeben. Wo uns heute die Erdöl-Knappheit zur Suche nach neuen Wegen zwingt, wird es schon übermorgen die Knappheit an seltenen Metallen und Legierungen für die Batterien sein.Das alles kann nicht als Einwand dagegen dienen, dass der Staat der neuen Technik mit Millionen für die Forschung und mit günstigen Rahmenbedingungen aus den Kinderschuhen hilft. Denn dabei geht es auch um Arbeitsplätze, die, wenn nicht hierzulande, dann woanders entstehen. Aber die Bundesregierung sollte auch nicht so tun, als befahre sie mit dem E-Mobil einen Königsweg. Eher ist es eine neue Sackgasse. Sie sollte deshalb auch an Alternativen forschen und diese ebenso fördern. Zur Not ohne Beteiligung der Auto-Industrie. Car-Sharing-Modelle beispielsweise bieten sich beim E-Auto mit seinen differenzierten Abrechnungsmöglichkeiten in Ballungsräumen geradezu an. Reizvoll genug wären auch Versuche, die Straße selbst zum elektrischen Energieträger zu machen: mit Induktionsschleifen im Pflaster oder an den Rändern, ähnlich wie bei der Carrera-Bahn. Das mag alles noch nach Science Fiction klingen. Aber dass Millionen Mammut-Batterien in den Kofferräumen von Millionen einzelner Vehikel die Zukunft sein sollen - das ist nun doch zu phantasielos.

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