Gastbeitrag von Humangenetiker Wolfram Henn Guten Mutes auf die Corona-Impfung blicken

Homburg · Es gibt allen Grund, sich auf den nahenden Impfstoff zu freuen, findet der Homburger Humangenetiker Wolfram Henn, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist.

SZ-Gastbeitrag Wolfram Henn: Guten Mutes auf die Corona-Impfung blicken
Foto: dpa/Axel Heimken

Im Januar kann es nun endlich mit den Impfungen gegen das Coronavirus losgehen, und es gibt allen Grund, sich darauf zu freuen. Wann im Leben hat man schon einmal die Möglichkeit, mit kleinem Aufwand sich selber und zugleich der Allgemeinheit viel Gutes zu tun? Ja, etwas Skepsis ist völlig in Ordnung, und jeder darf und soll dazu Fragen an Expertinnen und Experten stellen, etwa: Warum ist es denn so schnell gegangen mit der Entwicklung, in Monaten statt wie sonst bei Impfstoffen in Jahren? Weil man mit beispiellosem Aufwand das Tempo erhöht hat, aber nicht auf Kosten der Sicherheit. Wenn man 40 000 Testpersonen vor der Zulassung braucht, dann kann man über zehn Jahre 4000 pro Jahr probeimpfen, oder eben in einem halben Jahr 40 000. Genauso ist es geschehen. Langzeiterfahrungen zu Corona-Impfungen können nun einmal noch nicht vorliegen, aber mit der Technik der neuen Impfstoffe hat man schon viele Jahre Erfahrung. Eines ist jedenfalls völlig klar: Das Risiko, durch die Krankheit Schaden zu nehmen, ist vieltausendfach höher als durch die Impfung dagegen. Und: Jeder Mensch, der eine empfohlene Impfung in Anspruch nimmt, ist von Staats wegen gegen Impfschäden versichert.

Andere Frage: Kann der RNA-Impfstoff meine Gene verändern? Nein, das ist nicht zu befürchten; so ziemlich alle Virologen und Genetiker wollen sich damit impfen lassen, so auch ich mich und meine Familie. Wenn irgendwelche selbsternannten Youtube-Influencer Horrorstorys erzählen, äußern sie Meinung ohne Ahnung. Ohnehin werden wohl noch im Frühjahr über die Hausarztpraxen auch konventionelle Impfstoffe verfügbar werden, dann wird man vermutlich sogar die Auswahl haben, welchen man bevorzugt.

In den ersten Monaten wird es aber noch nicht genügend Impfungen für alle geben, und sie können aus technischen Gründen nur über Impfzentren erfolgen. Die Frage liegt nahe: Warum sollen alte Menschen zuerst geimpft werden, wie es der Ethikrat und die Wissenschaftsakademie vorgeschlagen haben, und nicht zuerst die Jungen, die noch die meisten Lebensjahre vor sich haben? Weil genau dieses Vorgehen für alle, auch die Jungen, das beste ist. Das wichtigste Ziel für die nächste Zeit muss nämlich sein, die Krankenhäuser und die Arztpraxen nicht zu überlasten. Vor allem brauchen wir freie Intensivbetten und das medizinische Personal, um sie zu betreiben. Das erreicht man am besten dadurch, dass man zunächst diejenigen Menschen impft, die, wenn sie an Covid-19 erkranken würden, mit der größten Wahrscheinlichkeit auf die Intensivstation müssten, und das sind nun einmal die älteren Jahrgänge. Junge, fitte Leute zu impfen, entlastet unsere Krankenhäuser nicht, und auch die Jungen müssen ein Interesse daran haben, nach einem Unfall oder einem Herzinfarkt ein freies Intensivbett zu bekommen. Zudem: Auch bei manchen jungen, zuvor gesunden Menschen kann eine Covid-19-Erkrankung sehr schwer verlaufen. Dass auch Ärzte, Intensivpfleger und Personal von Testlabors frühzeitig geimpft werden müssen, versteht sich von selbst, dasselbe gilt für Polizisten und Feuerwehrleute.

Nun ist es also unsere gemeinsame Aufgabe, die Zeit der Impfstoff-Knappheit dadurch zu überbrücken, dass wir alle die Regeln zum Infektionsschutz gewissenhaft einhalten, um uns dann guten Mutes impfen lassen zu können, wenn es so weit ist. Auch hier gilt wieder: Was wir für uns selbst tun, tun wir zugleich auch für andere. Also – Maske auf und durch, wir biegen jetzt in die Zielgerade ein!

Der Humangenetiker und Medizin­ethiker Professor Dr. Wolfram Henn ist Leiter der Humangenetischen Beratungsstelle an der Universität des Saarlandes in Homburg und seit 2016 Mitglied des Deutschen Ethikrates.

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