Südafrikas großer Gewinn liegt im Wir-Gefühl
Berlin. Die Fußball-Weltmeisterschaft ist eine enorme Aufgabe für die junge südafrikanische Nation, die in vielen Lebensbereichen das Gesicht der Dritten Welt hat. Der einzig sichere wirtschaftliche Gewinner der WM ist allerdings der Fußballweltverband Fifa. Das wirtschaftlich prosperierende Südafrika kann kaum positive wirtschaftliche Effekte erwarten
Berlin. Die Fußball-Weltmeisterschaft ist eine enorme Aufgabe für die junge südafrikanische Nation, die in vielen Lebensbereichen das Gesicht der Dritten Welt hat. Der einzig sichere wirtschaftliche Gewinner der WM ist allerdings der Fußballweltverband Fifa. Das wirtschaftlich prosperierende Südafrika kann kaum positive wirtschaftliche Effekte erwarten. Die Investitionen in neue Stadien und Straßen stellen sogar ein beachtliches Risiko dar. Allerdings kann Südafrika gesellschaftspolitisch von der WM profitieren, denn Fußball eint die Nation. Neben Rugby, Kricket und Golf, das freilich überwiegend nur von weißen Südafrikanern gespielt wird, gehört Fußball zu den populärsten Sportarten im Land. Wegen seiner Apartheid-Politik - auch im Sport - wurde Südafrika 1976 aus der Fifa ausgeschlossen und erst 1992 wieder aufgenommen. Das war zugleich ein Signal für die Aufbruchstimmung im "neuen Südafrika". Durch die Ausrichtung einer Mega-Veranstaltung wie der WM ergeben sich nicht automatisch ökonomische Gewinne. Es sind umfangreiche Investitionen erforderlich, die andere Aufwendungen verhindern. So kann Geld, das für Straßen ausgegeben wird, nicht ins Bildungswesen gesteckt werden. Und es ist unstrittig, dass die neu gebauten Straßen zu den Stadien nicht unbedingt zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Von einer neuen, milliardenschweren Zuglinie zwischen Johannesburg und Pretoria werden vor allem weiße Pendler profitieren. Und die neuen und modernisierten Fußballstadien sind für den sportlichen Alltag des Landes zu groß geraten. Es muss sogar Geld für die Verkleinerung ausgegeben werden, sonst drohen Stadionruinen.Da die WM im südafrikanischen Winter stattfindet, also außerhalb der touristischen Hochsaison, wird es beim Fremdenverkehr sicher einen einmaligen Einnahme-Effekt geben. Wie viele WM-Touristen tatsächlich kommen und was sie ausgeben, ist allerdings unklar. Immerhin: Erstmals in der Geschichte der Fifa-WM wird ein Großteil der Besucher nicht in Hotels wohnen, deren Gewinne oft internationalen Konzernen zufließen, sondern in privat geführten Gästehäusern und Pensionen. Davon profitieren Kleinunternehmer. Insgesamt gesehen wird für Südafrika in den nächsten Jahren ein größeres Wirtschaftswachstum erwartet als beispielsweise für Deutschland. Dass dies auch mit der Ausrichtung der WM zusammenhängt, ist aber sehr unwahrscheinlich. Stabiles Wachstum liegt in Südafrika im Trend. Man kann deshalb eher sagen: Südafrika kann sich die Weltmeisterschaft zwar leisten, wirtschaftlich profitieren wird es aber genauso wenig wie andere Ausrichter der letzten Jahrzehnte. Der einzig positive Effekt kann nur in einer beschleunigten Identitätsfindung dieser noch immer sozial und ethnisch gespaltenen Nation liegen. Schon durch die Rugby-Weltmeisterschaft 1995 entstand ein Wir-Gefühl, das sogar wissenschaftlich messbar war. Inzwischen hat es sich freilich an den harten Realitäten des Alltags etwas abgenutzt. Wenn aber die Fußball-WM organisatorisch reibungslos verläuft und das südafrikanische Team einige gute Spiele abliefert, kann das Ereignis dazu beitragen, das Gefühl der Gemeinschaft wieder zu beleben. Denis Huschka forscht am Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Rhodes-Universität in Südafrika. Professor Gert G. Wagner ist der Sport-Experte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.