Sturer Kampf um die Macht

Schon wieder streiken die Lokführer . Zum achten Mal in dem endlosen Tarifstreit - und so lange wie nie zuvor in der Geschichte der Deutschen Bahn. Und wozu diese Nerven raubende Eskalation? Um mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen geht es nur am Rande.

GDL-Chef Claus Weselsky kämpft verbissen um mehr Macht bei der Bahn und gegenüber der großen Konkurrenzgewerkschaft EVG. Wegen Weselskys sturer Machtbesessenheit haben er und seine kleine GDL inzwischen alle Sympathien verloren. Deshalb wird auch der Ruf aus Politik und Wirtschaft nach Einschränkungen des Streikrechts lauter, und zwar über das geplante Gesetz zur Tarifeinheit hinaus. Das Streikrecht ist jedoch ein kostbares Gut. Es ist das einzige echte Druckmittel einer Gewerkschaft. Wer ihm die Wirkung nimmt, verschiebt das Kräfteverhältnis der Tarifpartner einseitig zugunsten der Arbeitgeber.

Weselsky stellt sich denn auch - zu Unrecht jedoch - als Verteidiger des Streikrechts hin und rechtfertigt so seinen aggressiven Kurs. Er wirft der Bahn vor, auf Zeit zu spielen, bis das Gesetz zur Tarifeinheit in Kraft tritt. Dann wäre die GDL ausgebremst und könnte kaum noch für andere Berufsgruppen als Lokführer einen Tarifvertrag aushandeln.

Doch die Bahn kann sich eine Verzögerungstaktik gar nicht leisten. Sie hat schon genug Kunden enttäuscht. Auch würde der Bahn-Vorstand kaum auf Schlichtung drängen, wenn er keinen Abschluss wollte. Abgesehen davon sind die Verhandlungen zeitraubend, muss die Bahn sich doch mit zwei verfeindeten Gewerkschaften einigen. Schließlich sorgt sie sich mit Recht um den Betriebsfrieden, würden für gleiche Berufsgruppen verschiedene Tarifverträge abgeschlossen. Vor allem aber wissen die Bahn-Oberen, dass das Gesetz zur Tarifeinheit vom Verfassungsgericht gekippt werden könnte. Denn das Gesetz schränkt die Organisationsfreiheit der Arbeitnehmer erheblich ein. Eine neue Gewerkschaft beispielsweise könnte sich kaum bilden, müsste sie doch, um zum Streiken aufrufen zu dürfen, auf einen Schlag in einem Betrieb mehr Anhänger vereinen als eine bisher etablierte Arbeitnehmervertretung. Der Kampf gegen dieses Gesetz muss sich aber gegen die Regierung richten, nicht gegen die Bahn.

Auch wenn die Regelung zur Tarifeinheit in den Papierkorb gehört, sollte die Politik über eng begrenzte Eingriffe ins Streikrecht nachdenken - mit dem Ziel, die Auswirkungen speziell in dem für das Funktionieren der Wirtschaft elementaren Bereich Infrastruktur abzumildern. Vorstellbar ist eine verbindliche längere Frist für Streikankündigungen und die Pflicht, einen Schlichter einzuschalten. Eine Lösung im aktuellen Tarifstreit bei der Bahn kann man sich ohne einen solchen Vermittler kaum vorstellen. Doch Weselsky streikt lieber immer weiter.

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