Stunde der Populisten

Meinung · Onkel Sams Kreditwürdigkeit ist herabgestuft, die Kassen sind leer, die europäische Schuldenkrise drückt auf die Stimmung. Es ist ein Sommer der Pessimisten in Amerika, das sich so gern als Land der Optimisten versteht. Hellt sich der Konjunkturhimmel nicht bald auf, muss sich Barack Obama ernste Sorgen um seine Wiederwahl machen

Onkel Sams Kreditwürdigkeit ist herabgestuft, die Kassen sind leer, die europäische Schuldenkrise drückt auf die Stimmung. Es ist ein Sommer der Pessimisten in Amerika, das sich so gern als Land der Optimisten versteht. Hellt sich der Konjunkturhimmel nicht bald auf, muss sich Barack Obama ernste Sorgen um seine Wiederwahl machen.Am Mann im Weißen Haus haben Amerikaner schon immer gern ihren Ärger ausgelassen, wenn die Wirtschaft stagniert, wenn es an Jobs fehlt und immer mehr Mittelklassefamilien in die Armut rutschen. Jimmy Carter weiß ebenso ein Lied davon zu singen wie George Bush der Ältere. Beide kamen nicht über vier Regierungsjahre hinaus, und 2012 kann Obama dasselbe Schicksal blühen.

Eigentlich wäre es die Stunde der Opposition, die Stunde der Republikaner. Die aber fällt nur durch scharfe Polemik auf, durch Parolen, die mit der Realität oft auf Kriegsfuß stehen. Michele Bachmann, die neue Ikone der Tea Party, heftet sich ihr starrsinniges Nein beim Pokern ums Anheben des Schuldenlimits wie einen Orden an ihre Bluse. Rick Perry, der Gouverneur von Texas, der nun verspätet in den Ring steigt, beschwört das Amerika der 50er Jahre, die beste Zeit, die allein deshalb nicht wiederkehrt, weil sich die Kräftebalance in der Welt verschiebt. Mitfavoriten wie Mitt Romney und Jon Huntsman, von Haus aus eher nüchterne Köpfe, halten sich merkwürdig bedeckt, da sie den Zorn der rechten Rebellen fürchten, sobald sie gemäßigte Töne anschlagen. Die Populisten der Tea Party treiben das Kandidatenfeld mit Erfolg vor sich her. Wer zu früh Positionen der politischen Mitte bezieht, muss Angst haben, ab Januar beim Hindernisrennen der Vorwahlen vorzeitig auszuscheiden, geschmäht von der aufgewühlten Basis. Kein Zweifel, die Republikaner sind deutlich nach rechts gerückt.

Einstweilen sind es die Lautesten, die mit ihren simplen Sprüchen die Debatte beherrschen. Die Sparen, Sparen, Sparen predigen, ohne Rücksicht darauf, dass der Wirtschaftsmotor durch solche Radikalkuren vollends abgewürgt werden kann. Ob Bachmann oder Perry, sie alle verkünden die reine Lehre: Steuern runter, Sozialausgaben senken, den Rest erledigt amerikanischer Unternehmergeist wie von allein. Dabei wäre es höchste Zeit für pragmatische, ausgewogene Lösungsansätze, wie es sich eine Zweidrittelmehrheit der US-Bürger wünscht. Die Schwäche seiner ideologisch eingemauerten Gegner, darin vor allem besteht heute Obamas Stärke. Ändert sich daran nichts, kann sich der Präsident durchaus Hoffnungen für 2012 machen, mag der ersehnte Aufschwung auch auf sich warten lassen. Im Moment jedenfalls wirkt er wie der Erwachsene im Kinderzimmer.

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