Radikales Gesetz in Obama könnte Trump nutzen Abtreibungs-Streit vertieft den Riss durch die USA

Washington · Es kommt nicht oft vor, dass der Fernsehprediger Pat Robertson einen Vorstoß gegen Abtreibungen für zu radikal hält. Genau das aber ist nun passiert. „Alabama ist zu weit gegangen”, kritisiert der evangelikale Pfarrer, der vor drei Jahrzehnten Präsident der USA werden wollte.

Am Mittwochabend unterschrieb Kay Ivey, die Gouverneurin des südlichen Bundesstaats, ein Gesetz, das alles in den Schatten stellt, was in den Vereinigten Staaten bislang an Restriktionen beschlossen wurde. Schwangerschaftsabbrüche gestattet es nur noch, wenn die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist. Nicht einmal bei Vergewaltigung oder Inzest lässt es sie zu. Ärzte, die dennoch einen Eingriff vornehmen, müssen mit bis zu 99 Jahren Haft rechnen. Die Bürger Alabamas, sagte Ivey, als sie ihre Unterschrift unter das Papier setzte, glaubten aus tiefster Überzeugung, dass jedes einzelne Leben ein kostbares Gottesgeschenk sei. Mit 25 zu 6 Stimmen hatte der Senat Alabamas, eindeutig von den Republikanern beherrscht, die Novelle passieren lassen.

Auch wenn Alabama weiter geht als irgendein anderer Staat, so steht es doch bei weitem nicht allein. Erst vor wenigen Tagen hat Georgia ein sogenanntes Herzschlag-Gesetz beschlossen. Es untersagt Abtreibungen nach der sechsten Woche einer Schwangerschaft, sobald sich bei einem Embryo ein Herzschlag feststellen lässt. Kentucky, Mississippi und Ohio haben zuletzt ähnliche Regeln erlassen. Mit Ausnahme Ohios liegen sie alle im Süden, im Bible Belt, dem Bibelgürtel der religiösen Rechten. Im Nordosten dagegen geht der Trend in die andere Richtung. In Vermont versuchen Abgeordnete sogar, das Recht auf Abtreibung explizit in der Verfassung zu verankern. Der kulturelle Riss geht quer durchs Land, der Graben, der New York, Massachusetts oder Kalifornien ohnehin schon von Alabama, Mississippi oder Louisiana trennt, könnte noch breiter werden.

Natürlich ist das nicht der Grund, warum ein Geistlicher wie Robertson den Vorstoß Alabamas kritisiert. Er fürchtet vielmehr, die drakonischen Bestimmungen könnten vom nächsten Gericht abgeschmettert werden, während eine abgemilderte Variante durchaus Erfolgschancen hätte. Genau das sehen die Initiatoren anders: Es ist gerade ihre Absicht, Widerspruch zu provozieren, ihre Gegner zu Klagen zu reizen, um auf dem Weg durch die Instanzen schließlich vorm Obersten Gerichtshof in Washington zu landen. Dort, so ihr Kalkül, soll eine – neuerdings klare – konservative Mehrheit über Grundsätzliches entscheiden. Sie soll „Roe versus Wade“ kippen, einen juristischen Meilenstein aus dem Jahr 1973. Indem das höchste Gericht damals Schwangerschaftsabbrüche dem Recht auf Privatsphäre zuordnete, nahm es ihnen das Kriminelle. 46 Jahre danach hofft das konservative Amerika auf eine Kehrtwende, zumal sich die Kräftebalance in der Neunerrunde der Verfassungsrichter zu seinen Gunsten verändert hat.

Im Oktober nahm Brett Kavanaugh dort den Posten des ausgeschiedenen Juristen Anthony Kennedy ein. Während Kennedy das Abtreibungsrecht befürwortete, gilt Kavanaugh als Skeptiker, obwohl er es bislang vermied, sich offen gegen das Urteil von 1973 zu stellen. Donald Trump gehört ebenfalls zu den Hoffnungsträgern der Südstaatenfraktion, auch wenn ihn, den in dritter Ehe verheirateten New Yorker, kulturell nur wenig mit den Frömmlern des Bibelgürtels verbindet. Um sie im Wahlkampf auf seine Seite zu ziehen, versprach er ihnen, ausschließlich Richter zu ernennen, die sich zu einer Aufhebung von Roe versus Wade bekennen. Wenn das Abtreibungsthema durch die juristischen Instanzen geht, bekommt er nun im kommenden Jahr erneut Gelegenheit, die Relgiös-Konservativen im Süden für seine Wiederwahl zu mobilisieren.

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