Straßburg enthüllt Urteil zum Burka-Verbot

Straßburg · Ein teils erbittert geführter Kulturkampf geht in eine entscheidende Phase: Heute will der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sein Urteil über das Burka-Verbot in Frankreich verkünden. Die Entscheidung wird für alle 47 Europarats-Nationen ein Zeichen setzen.

Denn die Debatte erhitzt auch in anderen Ländern die Gemüter. Belgien hat die Gesichtsverhüllung im öffentlichen Raum ebenfalls untersagt. Die Tragweite den Urteils offenbarte sich bereits vorab durch einen formallen Akt: Die Große Kammer zog die Beschwerde einer muslimischen Französin direkt an sich, ohne wie üblich in erster Instanz eine Kleine Kammer einzuschalten. Sie dokumentierten damit, dass der Konflikt um staatliche Kleidervorschriften, die gegen eine Religion zielen, brisante Grundsatzfragen aufwirft.

Die junge Klägerin, die anonym bleiben will und deshalb in den Akten nur mit dem Kürzel S.A.S. erwähnt wird, sieht durch das Burka-Verbot ihre Freiheitsrechte verletzt, besonders das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit . Die Muslimin will den Ganzkörperschleier Burka oder den Gesichtsschleier Nikab tragen können, wann und wo sie es will. Sie betont, sie trage den Schleier wegen ihres Glaubens, ihrer Kultur und ihrer persönlichen Überzeugungen. Weder ihr Mann noch andere Familienmitglieder sie zwängen sie dazu.

Seit in Frankreich im Jahr 2011 unter dem konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy das Burka-Verbot eingefürt wurde, kann es für Frauen, die im öffentlichen Raum ihr Gesicht verhüllen, teuer werden. Ihnen droht ein Bußgeld von 150 Euro. Mehrere hundert muslimische Frauen wurden bereits belangt. Besonders aufsehenerregend war die Geldstrafe für zwei Burka-Trägerinnen, die dem ehemaligen konservativen Parteichef Jean-Francois Copé - einem der stärksten Befürworter des Verbots - demonstrativ einen Geburtstagskuchen überreichen wollten. Zahlen mussten auch drei Frauen, die verschleiert ihre Kinder von der Schule abgeholt hatten. Im Sommer 2013 kam es in einem Pariser Vorort zu schweren Krawallen mit mehreren hundert meist jungen Leuten, nachdem die Polizei eine Burka-Frau kontrolliert hatte.

Die Pariser Regierung wies darauf hin, dass sich das Gesetz nicht speziell gegen eine Religion richte, sondern generell verhindern solle, dass jemand in der Öffentlichkeit sein Gesicht verbirgt - was etwa auch für Motorradhelme oder Kapuzen gelte. Im Gesetz wird die Burka nicht ausdrücklich genannt. Allerdings haben Regierung und Parlament bei der Verabschiedung des Gesetzes unmissverständlich offenbart, dass das repressive Eingreifen in die Kleidungsfreiheit im Kern gegen den Ganzkörperschleier zielt. Das zeigt sich auch in der Regelung, nach der verschleierte Frauen zu einem Kurs in Staatsbürgerkunde gezwungen werden können. Diese Vorschrift beleuchtet ein weiteres Problem: In einer Demokratie garantiert die Verfassung eigentlich die Freiheitsrechte des einzelnen gegenüber dem Staat und dient nicht dem Staat als Mittel, den Bürgern bestimmte Verhaltensweisen aufzuerlegen oder religiöse Vorgaben zu machen.

Auch unter diesem Aspekt wird das Grundsatzurteil des Straßburger Gerichtshofs mit großer Spannung erwartet: Es geht um das Verhältnis zwischen Persönlichkeitsrechten und Religionsfreiheit einerseits sowie staatlicher Macht andererseits.

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