Steuern ihre Steuerpläne die Grünen ins Abseits?

Berlin · „Wir müssen verhindern, dass eine große Koalition kommt“, hämmert Jürgen Trittin seinen Grünen ein. Die Union sei noch nicht geschlagen.

Trotzdem bieten die Grünen dem politischen Gegner Angriffsflächen. So streiten sie auch intern: Sind unsere Pläne wirtschaftsfeindlich?

Das war im März 1998, als die Grünen in Magdeburg ihr Wahlprogramm verabschiedeten. Ähnlich sieht es im Mai 2013 aus: Manche Realos fremdeln mit den eigenen Beschlüssen - und Union und FDP warnen vor einer grünen Steuererhöhungsorgie. Werden die Steuerbeschlüsse den Grünen zum Verhängnis?

Trotz Widerstands sprach sich vor 15 Jahren in Magdeburg eine deutliche Parteitagsmehrheit für eine Anhebung des Benzinpreises auf fünf Mark binnen zehn Jahren aus. Diesmal gab es nur wenige Enthaltungen, als ein Parteitag in Berlin das umstrittene Haushaltskapitel fürs Programm 2013 beschloss. Bald darauf setzte eine Welle von Warnungen vor einem "Raubzug mit Ansage" ein.

Was wollen die Grünen? Zum Beispiel soll der Spitzensteuersatz ab 80 000 Euro Einkommen von 42 auf 49 Prozent steigen. Eine auf zehn Jahre befristete Vermögensabgabe soll Reiche mit 1,5 Prozent belasten. Danach soll eine Vermögensteuer erhoben werden. Das Ehegattensplitting soll abgeschmolzen werden.

Ein Ziel haben die Grünen mit ihren Beschlüssen erreicht: Sie wollten den Wahlkampf in Fahrt und Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb in Stellung bringen. Doch geht die Rechnung auf? Werden Trittin und Co. als Verfechter einer gerechteren Finanzierung der öffentlichen Aufgaben wahrgenommen? Oder, um es mit FDP-Chef Rösler zu sagen, als "Räuber Hotzenplotz", der dem Bürger in die Tasche greift?

Trittin will Kurs halten, so viel ist sicher. Alle, deren Einkommen unter 60 000 Euro liegt, würden durch die Steuervorschläge entlastet, wiederholt er gebetsmühlenartig. Das sind angeblich 90 Prozent der Bevölkerung. Selbst wenn man die Pläne zu Bürgerversicherung und Ehegattensplitting dazunehme, falle die Bilanz für die heftig umworbene Mittelschicht positiv aus, beteuern die Grünen. "Ich freue mich auf die Auseinandersetzung, weil wir zeigen können, dass wir die obersten zehn Prozent moderat mehr belasten und die große Mehrheit entlasten", zeigt sich der Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler gelassen.

Doch nicht alle sind mit den eigenen Plänen glücklich. Als Kronzeuge der Kritiker in den eigenen Reihen wirkt derzeit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Nun wird er wieder einmal mit Sätzen des Zweifels zitiert. Die nötigen Erhöhungen müsse man in Balance bringen. "Jetzt lassen wir mal dahingestellt, ob uns das vollkommen gelungen ist."

Seite an Seite schreitet wenigstens der Wunschkoalitionspartner mit den Grünen. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles beteuert, dass die Vorschläge der Grünen in die gleiche "Stoßrichtung" gingen wie die Ideen der Genossen. Arm und Reich klafften auseinander. Der Staat verarme. Deshalb seien die gemeinsamen Gerechtigkeitsziele richtig. Der Rest müsse in Koalitionsverhandlungen geklärt werden.

Klar ist: Was am Ende in einem Koalitionsvertrag stünde, entspräche keineswegs den jüngsten Programmbeschlüssen in Reinform. Außerdem: Selbst 15 Jahre nach dem Parteitag von Magdeburg kostet der Liter Benzin noch immer keine 2,50 Euro.

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