Steinmeier stellt die Sinnfrage

Berlin · Die Ukraine-Krise belegt Frank-Walter Steinmeier mit Beschlag während der ganzen fünf Monate, die er nun schon wieder Außenminister ist. Aber manchmal gibt es auch Zeit für angenehmere Dinge.

Zum Beispiel die große David-Bowie-Ausstellung, die seit gestern in Berlin läuft. Bei der Eröffnung verblüffte der Minister mit der Feststellung, die englische Pop-Legende tauge durchaus zum Vorbild für die Außenpolitik. "Unendliche Neugier. Die Bereitschaft, die Welt durch die Augen anderer zu sehen. Und die Überzeugung, dass sich Grenzen überwinden lassen" - für Steinmeier sind das Eigenschaften, die auch einen Diplomaten auszeichnen.

Der Vergleich mag überraschen. Aber der SPD-Mann holt sich gerade jede Menge Meinungen über die deutsche Außenpolitik ein, insofern passt Bowie doch ganz gut. Gleich nach der Rückkehr ins Auswärtige Amt hatte Steinmeier beschlossen, die Berliner Diplomatie auf den Prüfstand zu stellen. Neudeutsch heißt das: "Review 2014: Außenpolitik Weiter Denken". Gestern, bei der ersten großen Konferenz dazu, brachte Steinmeier die Kernfrage dann griffiger auf den Punkt: "Was ist eigentlich falsch an der deutschen Außenpolitik?" Hört man vom zuständigen Minister nicht allzu oft.

Die Antworten sollen nicht nur aus dem eigenen Haus und von Experten kommen. Auf einer Internet-Seite kann sich jeder dazu äußern. Zusammen mit der Körber-Stiftung gab das Außenamt zudem eine repräsentative Umfrage in Auftrag, was die Bundesbürger von Deutschlands Außenpolitik erwarten. Wichtigstes Ergebnis: Mehr als die Hälfte (60 Prozent) ist dagegen, dass die Bundesrepublik weltweit mehr Verantwortung übernimmt. Hintergrund ist wohl vor allem die Sorge vor neuen Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Diese Haltung steht im Widerspruch zu den Äußerungen vieler deutscher Politiker - von Bundespräsident Joachim Gauck über Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bis zu Steinmeier selbst. Auch im Ausland ist die Tonlage anders: In vielen Partnerländern gibt es die Erwartung, dass sich die erstarkte Wirtschaftsmacht Deutschland in der internationalen Politik stärker einmischt.

Bei der gestrigen Konferenz in Berlin forderte etwa die US-Professorin Angela Stent, die "Soft Power" ("sanfte Macht") Bundesrepublik müsse auch Eigenschaften einer "Hard Power" entwickeln. Der Chinese Feng Zhongping empfahl Steinmeier eine Rolle als "Brückenbauer" zwischen den etablierten und den aufstrebenden Mächten der Weltpolitik. Und die Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im französischen Parlament, Elisabeth Guigou, bat insbesondere um mehr deutsches Engagement in Afrika.

Steinmeier selbst hielt sich mit Schlussfolgerungen noch zurück. Es gebe jedoch offensichtlich einen "tiefen Graben" zwischen der Öffentlichkeit und der außenpolitischen Elite, der nun überwunden werden müsse. Grundsätzlich betonte der Minister aber: "Wir tragen Verantwortung für unser Nichthandeln genauso wie für unser Handeln."

Dazu soll es nun bis in den Herbst hinein in ganz Deutschland mehrere Gesprächsrunden geben, bei denen Steinmeier auch selbst dabei sein will. Erst dann soll ein Fazit gezogen werden. Schon heute will das Bundeskabinett jedoch ein neues Afrika-Konzept verabschieden. Darin heißt es, der Einsatz von Militär müsse die "Ultima Ratio" bleiben - der letzte mögliche Weg.

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