Statt Mut nur Misstrauen

Meinung · Eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Regierung. Das ist die Ursache der Euro-Krise, und diese Ursache bleibt. Berlusconi, Papandreou, Sarkozy oder Zapatero können letztlich in ihren Ländern beschließen, was sie wollen - und niemand kann eingreifen. Übrigens sind auch deutschen Politikern die Idee von Wahlgeschenken und die Wahrung von Besitzständen nicht ganz fremd

Eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Regierung. Das ist die Ursache der Euro-Krise, und diese Ursache bleibt. Berlusconi, Papandreou, Sarkozy oder Zapatero können letztlich in ihren Ländern beschließen, was sie wollen - und niemand kann eingreifen. Übrigens sind auch deutschen Politikern die Idee von Wahlgeschenken und die Wahrung von Besitzständen nicht ganz fremd.Dieses zentrale Problem des Euro aber bleibt im gestrigen Verfassungsgerichtsurteil außen vor. Es hilft wenig zu fordern, dass der Bundestag stärker beteiligt werden muss, wenn es ans Retten von Staaten geht, die keine Rücksicht auf den Rest der Währungsgemeinschaft genommen haben. Die Mahnung ist zwar gerechtfertigt. Aber wenn die Überschuldung erst eingetreten ist, gibt es wegen der Fragilität des gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraums gar keine Alternative zu Stützungsaktionen mehr.

Auf der einen Seite der Binnenmarkt, das Schengen-Abkommen, die Niederlassungsfreiheit, die gemeinsame Währung. All diese wunderbaren neuen Möglichkeiten. Und zugleich auf der anderen Seite die ungebrochene, ja sogar zunehmende Souveränität der Nationalstaaten und ihrer Parlamente. Die hat das Bundesverfassungsgericht übrigens vor zwei Jahren in seinem Urteil zum Lissabon-Vertrag schon einmal gestärkt. Jetzt also ein zweites Mal. Das ist nichts anderes als der Versuch, beides zu haben: sowohl die gemütliche Intimität der bisherigen Kleinstaaterei als auch die geballte ökonomische Weltmacht des ganzen Kontinents. Doch das passt eben nicht zusammen.

Das gestrige Urteil hält übrigens aus einem weiteren Grund vor der Wirklichkeit nicht stand: Die Europäische Zentralbank kauft derzeit massiv Schulden anderer Euro-Staaten auf und macht sie so zu gemeinsamen Schulden aller, auch Deutschlands. Ganz ohne Beteiligung der Parlamente.

Was Europa jetzt braucht, sind Politiker, die die Vision der Vereinigten Staaten von Europa haben. Nicht als Kopie der USA, nicht als gesichtslosen Superstaat. Europa bleibt ein Kontinent der Vielfalt von Kulturen und Sprachen, der vielen Identitäten. Aber in der Wirtschafts- und Finanzpolitik muss sich Europa weit mehr als heute als Einheit verstehen, um in der Welt der Großen mithalten zu können. Das geht nur, wenn man Souveränitäten aufgibt. Die gemeinsame Wirtschaftsregierung ist dafür eine Idee, ebenso der europäische Finanzminister. Ganz sicher machbar ist auch eine gemeinsame Armee für Außeneinsätze. Aber wer in Deutschland will diese Vereinigten Staaten von Europa? Stattdessen überall nur Misstrauen, Populismus, Angst und Vorbehalte nationaler Parlamente. Das kann, wenn man aus einer Kasse lebt, nicht lange gut gehen.

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