Spiel mit dem Feuer

Meinung · Die Unruhen in Ägypten, Libyen und jetzt auch im Jemen haben das Potenzial, zu einer handfesten außenpolitischen Krise anzuwachsen. Dies jedenfalls beabsichtigen die Drahtzieher der gewaltsamen Proteste, die sich vordergründig gegen die USA richten. Der eigentliche Adressat aber dürften die instabilen Regierungen in den betroffenen Ländern sein

Die Unruhen in Ägypten, Libyen und jetzt auch im Jemen haben das Potenzial, zu einer handfesten außenpolitischen Krise anzuwachsen. Dies jedenfalls beabsichtigen die Drahtzieher der gewaltsamen Proteste, die sich vordergründig gegen die USA richten. Der eigentliche Adressat aber dürften die instabilen Regierungen in den betroffenen Ländern sein.In Ägypten setzten sich bei den ersten freien Wahlen die Muslimbrüder durch. Eine islamistische Partei zwar, aber eine, die bei weitem nicht so radikal ist wie die unterlegenen Salafisten. Diese Gruppe unterhält an ihren Rändern Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Qaida und hat auch bei den Unruhen in Libyen ihre Finger im Spiel. Möglicherweise gab es dort sogar eine direkte Zusammenarbeit mit Terroristen, die mit dem Anschlag auf den US-Botschafter in Bengasi den aus Libyen stammenden Al-Qaida-Vize Abu Jahja al-Libi rächen wollten. Er war im Juni bei einem US-Drohnenangriff ums Leben gekommen. Im Jemen schließlich schüren Sympathisanten den Hass auf die Regierung, die den erbarmungslosen Drohnenkrieg der Amerikaner gegen die Führer des Terrornetzwerks zulässt. Unter anderen schalteten die USA im vorigen Jahr den charismatischen Hassprediger Anwar al-Awlaki aus.

Der anti-islamische Hetzstreifen eines mysteriösen Amateurfilmers aus Kalifornien liefert den Extremisten einen willkommenen Vorwand, die Unruhen anzuheizen. Und US-Präsident Barack Obama tut gut daran, in dieser hitzigen Atmosphäre einen kühlen Kopf zu bewahren. Der mutmaßliche Anschlag auf den US-Botschafter darf nicht ungesühnt bleiben, aber auch nicht in eine Überreaktion münden. Die Extremisten versuchen, einen Keil zwischen Washington und die jungen Regierungen in Ägypten und Libyen zu treiben. Im Falle ihres Erfolgs wäre garantiert, dass sich der "arabische Frühling" in einen "arabischen Herbst" verwandelte. Die Zusammenarbeit mit den noch unerfahrenen Führern ist deshalb wichtiger denn je.

Besorgnis erzeugt die Reaktion des republikanischen Präsidentschafts-Kandidaten Mitt Romney auf die Krise. Ohne die Fakten zu kennen, postulierte er einen sicherheitspolitischen Unfug, der sogar George W. Bush fast wie einen Philosophen wirken lässt. Die Reaktionen fielen entsprechend heftig aus - womöglich hat Romney damit seine Chancen auf einen Einzug ins Weiße Haus verspielt.

Die Unruhen in Nahost haben mit einer Führungsschwäche der USA nicht das Geringste zu tun. Sie sind ein Ergebnis post-revolutionärer Machtkämpfe in Gesellschaften, die wenig historische Erfahrung im Umgang mit Demokratie haben. Die Antwort darauf ist nicht Kraftmeierei, sondern Besonnenheit und Geduld. Obama zeigt bisher beides.

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