Spaniens Spitzen-Fußball unter Verdacht

Madrid · Das Land des Fußball-Weltmeisters Spanien rühmt sich gerne, dass seine Primera División die beste Liga auf dem Globus sei. Doch hinter den Kulissen fließen offenbar öffentliche Gelder in die Klubs, die dadurch unerlaubte Wettbewerbsvorteile genießen.

Diesen Verdacht hegt die europäische Fußball-Konkurrenz schon länger. Nun will die EU-Kommission ein Verfahren gegen Real Madrid, den FC Barcelona und andere spanische Spitzenklubs eröffnen - wegen des Verdachts auf Wettbewerbsverzerrung.

Viele Spanier sehen schon länger rot, wenn sie daran denken, wie ihre Liga-Vereine vom Staat verhätschelt werden. Im Königreich der Wirtschaftskrise, der Massenarbeitslosigkeit und der wachsenden Armut muss jeder Normalsterbliche den Gürtel immer enger schnallen. Wer Steuern oder Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, bekommt das Konto gepfändet. Zehntausende Familien, die Hypotheken-Raten oder Mieten nicht begleichen, werden aus ihren Wohnungen geworfen. Nur für die verschuldeten Fußball-Vereine scheinen andere Regeln zu gelten.

Allein beim Finanzamt schieben die Klubs der ersten und zweiten Liga einen Schuldenberg von 700 Millionen Euro vor sich her. Welche Verbindlichkeiten sie bei der staatlichen Sozialversicherung haben, ist "aus Datenschutzgründen" geheim. Über die Gesamtschuld des Fußballs, zu der auch öffentlich abgesicherte Bankkredite gehören, gibt es nur eine Schätzung: Der Ökonom José María Gay de Liébana taxiert die Summe auf mindestens 3,5 Milliarden Euro.

Die Oppositionspartei Vereinte Linke sprach schon vor längerer Zeit aus, was die Menschen auf der Straße denken: Die Nachsicht des Staates mit den Vereinen sei ein "Skandal". Auch EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia hatte sich bislang nicht mit Ruhm bekleckert. Beschwerden wegen des Verdachts unerlaubter Hilfen für Spaniens Klubs wurden in seiner Behörde offenbar verschleppt. So lange, dass die Ombudsfrau der EU-Kommission, Emily O'Reilly, sich nun gezwungen sah, den Spanier Almunia öffentlich zu rügen. Die Bürgeranwältin forderte ihn auf, das Vertragsverletzungsverfahren wegen "mutmaßlicher unfairer Steuervorteile für einige spanische Klubs" nicht länger zu verzögern. Zuvor, berichte O'Reilly freimütig, hätten Investoren anderer europäischer Vereine gemutmaßt, Brüssels Untätigkeit könnte damit zusammenhängen, dass "der verantwortliche Kommissar einen der betroffenen Klubs unterstützt". Almunia ist Mitglied bei Athletic Bilbao - derzeit Tabellenvierter und einer jener Vereine, die von den verbotenen Hilfen profitiert haben sollen.

Im EU-Wettbewerbsverfahren gegen Spaniens Klubs geht es übrigens nicht nur um Steuerschulden. Real Madrid und Athletic Bilbao sollen mit fragwürdigen Immobilien-Deals von ihren Heimatstädten begünstigt worden sein. Der FC Valencia, einer von mehreren praktisch zahlungsunfähigen Liga-Vereinen, lebt nur deshalb noch, weil die Regionalregierung für seine Schulden geradesteht. Der FC Barcelona, Real Madrid, Athletic Bilbao und der Erstliga-Klub Osasuna aus Pamplona genießen zudem Steuervorteile, die sie fast auf die Stufe einer gemeinnützigen Organisation stellen. Spaniens Regierung betont derweil, es sei nie gegen EU-Recht verstoßen worden. Stattdessen sorgt sich Außenminister José Manuel García-Margallo wegen des Image-Schadens, der den Vereinen durch das Verfahren entstehen könne.

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