Sorgfalt schützt die Schwächsten

Dass Justizminister Heiko Maas beim Wettlauf der sozialdemokratischen Ressort-Chefs um die Themenhoheit im Kabinett mithalten will, ist verständlich. Die Genossen insgesamt wollen zeigen, wer das Land (mit-)regiert, und der Saarländer muss sich bundespolitisch erst noch einen Namen machen.

Deshalb hat Maas nach seinem Amtsantritt vor vier Monaten zügig einige Projekte auf den Weg gebracht.

Jetzt aber ist ganz besonderes Fingerspitzengefühl gefragt: Der Kampf gegen Kinderpornografie hat eine andere Qualität als die Mietpreisbremse, als überhöhte Dispo-Zinsen oder der Schutz von Kleinanlegern vor unseriösen Finanzprodukten. Denn es geht um ein schlimmes Verbrechen, das emotional und moralisch aufwühlt wie kaum ein anderes, weil die Wehrlosesten der Gesellschaft betroffen sind. Maas täte also gut daran, die Meinung von Experten zu seinem Gesetzentwurf wirklich ernst zu nehmen und für Verbesserungsvorschläge auch im parlamentarischen Verfahren offen zu sein. Schließlich macht es keinen Sinn, wenn der Minister zwar Lücken und Grauzonen im Strafrecht beseitigen will, die durch den Fall Edathy offenkundig wurden, aber sein Gesetz wegen Aktionismus oder parteipolitisch motivierter Hast doch nur ein zahnloser Tiger bleibt.

Was genau sind also "bloßstellende Bilder"? Sind künftig alle Fotos von unbekleideten Kindern verboten oder wo verläuft die Grenze? Beim Kampf gegen Kinderpornografie im Allgemeinen, beim Umgang mit Bildern von nackten Jungen oder Mädchen im Speziellen darf keine rechtliche Unklarheit zurückbleiben. Schon gar nicht bei Eltern. Das muss Maas unbedingt beherzigen. Genauso wenig Sinn ergibt es allerdings, wenn nun die Union den Koalitionspartner in punkto Strafen überbieten will. Auch für die CDU gilt: Das Thema ist zu wichtig und zu heikel, als dass man es populistisch ausschlachten darf. Zumal es in Zeiten des Internet ohnehin ein eher realitätsfremder, frommer Wunsch ist zu glauben, allein mit immer neuen Gesetzen die üble Bilderflut im Netz irgendwie eindämmen zu können. Das wird nicht gelingen.

Für den Schutz von Kindern muss die Politik insgesamt mehr tun. Das therapeutische Angebot für betroffene Menschen muss zügig weiter ausgebaut werden, nur so lassen sich potenzielle Täter von einem späteren Übergriff abhalten. Aufklärung und Präventionsprojekte sind zugleich der wirksamste Schutz für mögliche Opfer. In diesen Bereichen reicht die politische Unterstützung vielfach nicht aus. So müssen nach wie vor zahlreiche Projektträger regelmäßig um die notwendigen Mittel für ihre Arbeit kämpfen. Wer effektiv mehr gegen die ausufernde Kinderpornografie tun will, muss mehrgleisig fahren - und nicht nur aufs Gesetzbuch vertrauen.

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