Silvester-Machtprobe in Köln fand wohl nicht statt

Köln · "Am HBF werden derzeit mehrere Hundert Nafris überprüft. Infos folgen." Das twitterte die Kölner Polizei in der vergangenen Silvesternacht. Die Abkürzung "Nafri" für Nordafrikaner wurde schon am nächsten Tag als abwertend kritisiert. Zwei Wochen später stellt sich die Frage: Waren die aggressiven jungen Männer am Hauptbahnhof mehrheitlich gar keine Nordafrikaner?

Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte sich von der öffentlichen Verwendung des Begriffs "Nafris" noch am Neujahrstag distanziert. Zugleich sagte er aber, die jungen Männer , die die Polizei am Hauptbahnhof überprüft habe, seien ganz überwiegend Nordafrikaner gewesen. Zwei Wochen später ergibt sich nun ein weniger eindeutiges Bild. Gestern gab die Polizei einen Zwischenstand ihrer Ermittlungen. Demnach kamen in der Silvesternacht insgesamt etwa "2000 nordafrikanisch beziehungsweise arabisch aussehende junge Männer " zum Hauptbahnhof und zum Deutzer Bahnhof. In 674 Fällen habe man mittlerweile gesicherte Personendaten, in 425 Fällen könne man etwas zur Nationalität sagen. Von diesen 425 waren 99 Iraker, 94 Syrer, 48 Afghanen und 46 Deutsche. Nur 17 waren Marokkaner, 13 Algerier. Die restlichen Nationalitäten wollte die Polizei nicht nennen.

Nachdem diese Zahlen einiges Aufsehen erregt hatten, ließ die Polizei gestern Nachmittag noch eine Präzisierung folgen. In vielen Fällen blieben letztlich Zweifel an der Staatsangehörigkeit. Bekannt sei, dass sich Nordafrikaner oft als Kriegsflüchtlinge aus Syrien ausgäben, um ihre Asyl-Chancen zu erhöhen. Es sei "nicht auszuschließen, dass sich unter den 425 Personen noch eine größere Anzahl nordafrikanischer junger Männer befindet".

In jedem Fall lässt sich wohl sagen: Der Anteil der Nordafrikaner war kleiner als angenommen. Es ging nicht ausschließlich um die berüchtigten "Nafris". Mit diesem Begriff bezeichnet die Kölner Polizei intern Nordafrikaner, die schon mehrfach durch Straftaten aufgefallen sind. Rund um den Kölner Hauptbahnhof stellen solche jungen Männer aus Marokko, Algerien oder Tunesien seit Jahren ein großes Problem dar. Viele von ihnen haben sich darauf spezialisiert, Touristen zu bestehlen. Auch die Verdächtigen der katastrophalen Silvesternacht 2015/16 mit zahlreichen sexuellen Übergriffen waren überwiegend Nordafrikaner. Die Meldung von den angeblich 1000 jungen Nordafrikaner war für die Polizei denn auch Anlass für besorgtes Rätseln. Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster sprach gar von einer "Machtprobe", auf die es diese Gruppe angelegt habe. Das erscheint jetzt vorschnell.

Dass die Polizei auch nach der jüngsten Silvesternacht schon sehr früh von Nordafrikanern sprach, hat wohl damit zu tun, dass sie die Fehler des Vorjahres nicht wiederholen wollte. Damals hatte sie sich bei der Nationalität der Verdächtigen erst einmal bedeckt gehalten - und war gerade dafür massiv kritisiert worden.

Letztlich sei die Nationalität aber doch gar nicht entscheidend, argumentierte gestern Polizeisprecher Wolfgang Baldes. Für die Polizei sei etwas anderes wichtig gewesen: Die Männer , die vor Mitternacht in großen Gruppen am Hauptbahnhof eingetroffen seien, seien "jung, aggressiv und alkoholisiert" gewesen. Nach diesem Kriterium habe man sie überprüft. Das Ergebnis sei ein sehr erfolgreicher Einsatz gewesen. Tatsächlich gab es nur wenige Anzeigen in dieser Nacht.

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