Signal gegen Gleichgültigkeit

Meinung · Der Satz, man könne einen absehbar aussichtslosen Kampf auch gleich einstellen, ist die Kapitulation des Rechtsstaates vor den Tätern. So taugt das neue Gesetz, das die Bundesregierung zum Kampf gegen Kinderpornografie im Internet vorgelegt hat, zwar bestenfalls als Begleitmaßnahme zu einer wirksamen Strafverfolgung

Der Satz, man könne einen absehbar aussichtslosen Kampf auch gleich einstellen, ist die Kapitulation des Rechtsstaates vor den Tätern. So taugt das neue Gesetz, das die Bundesregierung zum Kampf gegen Kinderpornografie im Internet vorgelegt hat, zwar bestenfalls als Begleitmaßnahme zu einer wirksamen Strafverfolgung. Benötigt die hoch technisierte Szene der Täter doch kaum mehr als ein paar Minuten, um Web-Sperren zu umgehen. Dennoch brauchen wir dieses Gesetz - als Signal, ja als Fanal gegen die Gleichgültigkeit des Wegsehens. Dass die Sperrung von Webseiten kein perfekter Schutz sein kann, weiß jeder, der sich auch nur amateurhaft in dem weltweiten Datennetz auskennt: Was an einer Stelle ausgeblendet wird, scheint an einer anderen wieder auf. Trotzdem lohnt es sich, als Gesellschaft deutlich zu machen, dass man Kinder schützen will. Selbst wenn dieser Schutz nicht der große Wurf ist. Manchmal aber hilft es schon, wenn man wenigstens die aussperrt, die (noch) nicht zu der hart gesottenen kriminellen Täter-Szene gehören, für die Kinder nur Material sind.Natürlich wiegt der Einwand der Zensur schwer. Aber muss ein Missbrauch der demokratisch verbrieften Meinungsfreiheit zur sexuellen Ausbeutung von Kindern wirklich grundgesetzlich geschützt werden? Die Verfasser des Grundgesetzes hatten sicher nicht die Freiheit für Täter im Sinn, wohl aber die Freiheit der Betroffenen, niemals Opfer werden zu müssen. Die Internet-Unternehmen haben sich lange gegen die Rolle des "Hilfspolizisten" gewehrt. Nun sollen sie diese gezwungenermaßen freiwillig ausfüllen; dabei könnte der schlagkräftige Beitrag zu einem sauberen Netz doch ein Markt-Argument für Kunden sein. Überdies ist es ja kein rechtsfremdes Instrument, das die Bundesregierung da einführt: Wer von einer Straftat weiß oder Zugang zu einer Straftat eröffnet, macht sich mitschuldig. Das ist ein Grundprinzip des Staates. Das neue Gesetz wird das eigentliche Manko nicht beseitigen können. Hunderte von Konferenzen, Fachbüchern und Studien sowie unzählige Präventionsprogramme haben es in den vergangenen Jahrzehnten nicht geschafft zu verhindern, dass immer neue Täter-Generationen nachwuchsen. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die einen angesichts der Schwere des Themas mit Grausen abwandten und andere die Tragweite des Problems als "überzogen" abtaten. Beide Haltungen sind gleich schlimm, weil sie den Opfern auch noch die Verantwortung für ihr Schicksal übertragen, statt Täter zu stoppen. Mag dieses Gesetz also unvollkommen, wenig wirksam und noch dazu Zensur sein. Wir brauchen es trotzdem.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Zur vierten "Berliner Rede" von Bundespräsident Horst Köhler, diesmal zur aktuellen Wirtschaftskrise, schreibt die Oldenburger "Nordwest-Zeitung": Köhlers Vision einer neuen Wirtschaftsordnung, getragen von Werten, Verantwortung in einer sozialen Marktwir
Zur vierten "Berliner Rede" von Bundespräsident Horst Köhler, diesmal zur aktuellen Wirtschaftskrise, schreibt die Oldenburger "Nordwest-Zeitung": Köhlers Vision einer neuen Wirtschaftsordnung, getragen von Werten, Verantwortung in einer sozialen Marktwir