Seehofers gefährliches Spiel

Wäre die CSU ein Landesverband wie die CDU Niedersachsen oder Baden-Württemberg, dann hätte sie kaum den Freistaat mehr als ein halbes Jahrhundert ununterbrochen regieren können. Die CSU schöpft ihre Kraft aus der einzigartigen Konstruktion einer Regionalpartei mit bundesweitem Anspruch. Und dazu gehört es, dass es ab und an tüchtig "rumpeln" muss, wie der frühere CSU-Vorsitzende Erwin Huber einmal formulierte.

Aber was sich schon seit dem Herbst 2015 zwischen den Schwester-Parteien CSU und CDU abspielt, ist mehr als ein Rumpeln. Es ist eine chronische Verstimmung auf wechselndem Niveau, eine tiefe Sankt-Horst-Verwerfung. Seehofer und seine Gefolgsleute streiten ab, dass Angst vor der AfD die Triebfeder der Dauer-Auseinandersetzung um Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik ist, aber wenn man die Äußerungen des CSU-Chefs aus einem Jahr Revue passieren lässt, dann sagt er es eigentlich selbst: Es gehe um die größte Herausforderung für die Union, um alles. Es drohten "österreichische Verhältnisse".

Horst Seehofer glaubt besser zu wissen als andere, was in der schweigenden Mehrheit der Deutschen vorgeht. Tatsächlich fragen sich immer mehr, ob sie es tatsächlich "schaffen", was ihnen CDU-Kanzlerin Angela Merkel im Spätsommer 2015 ungefragt aufgebürdet hat. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass die Zuversicht der Deutschen, die vielen Flüchtlinge und Zuwanderer integrieren zu können, deutlich gesunken ist. Wem das in Form von potenziellen Wählerstimmen zu Gute kommt, muss nicht weiter ausgeführt werden.

Die Merkel-CDU hofft auf Normalisierung und glaubt, dass man durch restriktive Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik , wie sie Seehofer und seine CSU fordern, die AfD erst richtig hoch redet, weil viele lieber das Original als die Kopie wählen. Die Merkel-Skeptiker in der CDU und die CSU hingegen erachten es als verhängnisvoll, wenn sich die offizielle Berliner Regierungspolitik durch "Betroffenheitsformeln" und Schönreden über die Runden retten will.

Der Spieler Seehofer geht mit seinem Versprechen, mit der CSU der nächsten Bundesregierung fernbleiben zu wollen, falls im Koalitionsvertrag keine Flüchtlings-Obergrenze festgeschrieben werden kann, wieder einmal auf risikoreichen Konfrontationskurs, denn eine echte "Obergrenze" kann eigentlich nur eingeführt werden, wenn das Grundgesetz geändert wird.

Eine CDU /SPD-Koalition mit der CSU in der Opposition ist aber nicht vorstellbar. Es würde das Ende der Fraktionsgemeinschaft und wohl auch das Ende der Union sein, mit dem Seehofer indirekt droht. "Respice finem", mahnt der bei CSU-Politkern so geschätzte Lateiner: Bedenke das Ende. Ob sich Seehofer daran gehalten hat?

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