Seehofers Abkehr von der „Schüchternheit“

München · Nein, so schüchtern will Horst Seehofer dann auch wieder nicht sein. „Das war auch wieder fantastisch, was man mit einer ironischen Bemerkung, wo man die Gänsefüßchen mitliefert, alles veranlassen kann“, sagt er gestern vor der CSU-Vorstandssitzung – und lacht etwas gequält.

Vergangene Woche hatte er im Beisein von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kloster Banz Zurückhaltung im Wahlkampf gelobt: "Sie müssen einfach mit dem schüchternen Seehofer die nächsten acht Wochen rechnen", sagte er da - und erntete dafür viele spöttische Zeitungs-Überschriften. Das wurmte ihn offenbar.

Denn: Allzu viel Zurückhaltung und Unterordnung unter die CDU sind seit jeher untypisch für die CSU. Die Christsozialen verstehen sich als die einzigen überhaupt denkbaren Verfechter bayerischer Interessen - und machen daraus normalerweise auch keinen Hehl.

Gestern also erlebte man Horst Seehofer schon eher wie gewohnt - auch wenn er auf der Skala zwischen dem "schnurrenden Kater" und dem "brüllenden Löwen" noch ordentlich Potenzial nach oben hat. Es geht - wieder einmal - um die Pkw-Maut für Ausländer, die die CSU nicht im gemeinsamen Wahlprogramm mit der CDU unterbringen konnte. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist jedenfalls dagegen. Seehofer betont nun: "Da soll sich niemand täuschen drüber, dass wir das ernsthaft auch verfolgen." Die CSU habe in den vergangenen Jahren schon viele Alleingänge zur Vertretung bayerischer Interessen unternommen, und zwar "sehr erfolgreich", wie das Betreuungsgeld zeige. "Es ist alles im Leben eine Sache der Verhandlungen", sagt er - und kündigt bereits an, man werde die Schlagzahl in Berlin nach der Wahl "etwas erhöhen".

Die Pkw-Maut ist, nachdem sie es nicht unser Unions-Wahlprogramm geschafft hat, im CSU-Wahlprogramm "Bayernplan" verewigt, das der Parteivorstand gestern beschlossen hat und das auf dem Parteitag an diesem Freitag endgültig verabschiedet werden soll. Enthalten ist auch die Forderung nach Volksabstimmungen zu wichtigen Europa-Fragen. Die CSU gibt in dem Papier eine ganze Reihe von Versprechen ab: Vollbeschäftigung in Bayern bis spätestens 2018, ein Ganztagsangebot für jeden Schüler unter 14 Jahren, Erhalt aller Grundschulen, keine neuen Schulden und keine Steuererhöhungen. Und den Zweiflern sagt Seehofer: Alles durchgerechnet, alles durchdacht. "Das, was dort drinsteht, machen wir auch", sagt er über den "Bayernplan". Und: "Wir versprechen nur, was wir finanzieren können." In Bayern wird am 15. September und damit eine Woche vor der Bundestasgwahl ein neuer Landtag gewählt. Immerhin kann die CSU laut Umfragen auf eine Rückkehr zur 2008 verlorenen absoluten Mehrheit hoffen.

Die Opposition quittiert das CSU-Papier indes mit Kritik, Hohn und Spott. Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause spricht von einem "Täuschungsplan" und sagt: "Verarschung darf man ja nicht mehr sagen. Das ist Popolismus." Und SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher lästert: "Das letzte CSU-"Programm" 2008 setzte auf milliardenschwere Steuersenkungen, Wehrpflicht, Studiengebühren und Atomkraft. Wir wissen, was daraus geworden ist." Man sollte bei der CSU deshalb besser gleich das Gegenteil der Wahlversprechen einkalkulieren.

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