Seehofer legt beim „Soli“ Wende um 180 Grad hin
Berlin/München · Es war Horst Seehofer höchstselbst, der die Einigung im Frühjahr verkündete: Völlig überraschend hatten sich der CSU-Chef und Kanzlerin Angela Merkel mit Finanzminister Wolfgang Schäuble darauf verständigt, den Solidaritätszuschlag bis 2029 schrittweise abzuschaffen - nachdem Schäuble lange Zeit ganz andere Pläne hatte.
Seehofer sprach von der "größten Steuersenkung aller Zeiten". Jetzt folgt die Wende um 180 Grad - wieder einmal.
In einem Interview hat Seehofer die Abschaffung des "Soli" nun plötzlich wieder infrage gestellt. Als Grund nennt der bayerische Ministerpräsident die Kosten für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen.
Damit hat der CSU-Chef eine neue Front in der Flüchtlingsdebatte eröffnet. Und sich - nach dem Burgfrieden mit Merkel im Streit um die Begrenzung der Flüchtlingszahlen - erneut gegen die Kanzlerin positioniert. Denn Merkel hat schon im Oktober versichert, dass es weder einen "Flüchtlings-Soli" noch Steuererhöhungen geben werde, um die Flüchtlingskrise finanziell zu meistern - "definitiv".
Was Seehofer nun in Aussicht stellt, ist quasi ein "Flüchtlings-Soli" durch die Hintertür. Botschaft: Es wird teuer - und das wird jeder im Geldbeutel zu spüren bekommen, wenn die Zuwanderung nicht begrenzt wird.
Tatsächlich sucht die Bundesregierung schon lange nach Wegen, die Einnahmen aus dem "Soli" zu retten, der vielen längst als widersinnige Abgabe gilt. Einst für den Aufbau Ost eingeführt, werden die Einnahmen , die allein dem Bund zustehen, inzwischen für alles Mögliche ausgegeben. Mit dem offiziellen Ende der Förderung der ostdeutschen Länder, dem Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019, wird aber auch die verfassungsrechtliche Grundlage für den "Soli" fragwürdiger. Doch der Zuschlag spült allein in diesem Jahr mehr als 15 Milliarden Euro in die Kasse. Fiele das Geld weg, würde dies ein gewaltiges Loch reißen.
Und so hatte Schäuble im Herbst 2014 zusammen mit dem Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD ) einen Vorschlag präsentiert, der auf den ersten Blick durchaus Charme hatte: Danach sollte der Zuschlag in die Einkommensteuer integriert werden, so dass künftig auch die Länder daran beteiligt wären. Doch Merkel und Seehofer spielten nicht mit. Zu groß war wohl die Sorge, dass ein solcher Schritt bei den Unionswählern als Steuererhöhung verstanden worden wäre. Im Dezember 2014 stellte Merkel in ihrer Videobotschaft klar: Der "Soli" bleibt, auch über 2019 hinaus.
Als sich die Union dann nur wenige Monate später auf die schrittweise Abschaffung des "Soli" bis 2029 verständigte, rieb sich nicht nur der Koalitionspartner die Augen. Auch aus den Ländern hagelte es Kritik. Diese haben sich nun Anfang Dezember auf eine gemeinsame Linie für die Verhandlungen über eine Neuordnung der Finanzbeziehungen verständigt. Danach soll der Bund ab dem Jahr 2020 jährlich knapp 9,7 Milliarden Euro Kompensationszahlungen leisten. Bayern würde mit rund 1,3 Milliarden Euro profitieren.
Ob Schäuble das Konzept der Länder mitträgt, ist offen. Sollte der "Soli" auslaufen, werden die finanziellen Spielräume des Bundes naturgemäß kleiner. Weder das Bundesfinanzministerium noch führende CDU-Politiker wollten sich gestern zu Seehofers Gedankenspielen zum Verzicht auf die Soli-Abschaffung äußern. Aber manchmal sagt Schweigen mehr als viele Worte.