Schwieriger Balanceakt zwischen Politik und Medien

Berlin. Politische Pressesprecher sind in jeder Hinsicht Zwitterwesen. Sie sind, wenn sie gut sind, die rechte Hand ihrer Chefs oder Chefinnen und schmeißen sich für sie in jede Schlacht. Auf der anderen Seite sind sie auch Vertrauenspersonen der Journalisten. Wenn die ihnen nicht glauben, sind sie wirkungslos. Dazwischen liegt der Job. Er ist ein Balanceakt

Berlin. Politische Pressesprecher sind in jeder Hinsicht Zwitterwesen. Sie sind, wenn sie gut sind, die rechte Hand ihrer Chefs oder Chefinnen und schmeißen sich für sie in jede Schlacht. Auf der anderen Seite sind sie auch Vertrauenspersonen der Journalisten. Wenn die ihnen nicht glauben, sind sie wirkungslos. Dazwischen liegt der Job. Er ist ein Balanceakt. Es gibt in der Politik, in Parteien und Ministerien viele Pressesprecher, die ihn täglich bewältigen. Solche bleiben lange. Und es gibt welche, die, wie jetzt der CSU-Sprecher Hans Michael Strepp, das Gleichgewicht verlieren.Einer schickte kürzlich wegen einer für seinen Chef unangenehmen kleinen Enthüllung eine SMS: "Ihr Bericht ist erbärmlich." Vielleicht fängt er sich wieder. In Wahlkämpfen und vor Personalentscheidungen nehmen solche Entgleisungen zu. Denn ein Pressesprecher hängt beruflich fast immer direkt an der Karriere seines Vorgesetzten. Mit ihm steigt oder fällt er. Da ist es manchmal schwer, die professionelle Distanz zu wahren. Aber auch das muss der Sprecher schaffen. Er muss seinen Chef beraten und sogar kritisieren können. Wer sonst?

Anrufe von Pressesprechern bei Journalisten sind normal. Informationen verbreiten, der Berichterstattung eine bestimmte Richtung geben, das ist der Zweck des Berufs. Noch normaler ist der Anruf des recherchierenden Journalisten beim Sprecher. Das alles ist schon deshalb kein Problem, weil es sich neutralisiert. Der gute Journalist wird alle Seiten fragen - und er wird von allen Seiten bestürmt werden. Die meisten Pressesprecher und Journalisten in Berlin und in den Landeshauptstädten haben ein sachliches, manchmal sogar freundliches Arbeitsverhältnis zueinander. Drohungen und Beschimpfungen gehören normalerweise nicht dazu.

Kritisierende Anrufe nach einer Berichterstattung, wie sie die Sprecherin des bayerischen Finanzministers Söder beim Bayerischen Rundfunk tätigte, sind unter Profis selten. Es ist zwar das Recht, ja sogar die Pflicht jedes Sprechers, auf echte oder vermeintliche Fehler hinzuweisen. Doch wird ein kluger Sprecher sich zurückhalten, wenn die Sache nicht gravierend ist. Beschwerden beim Chefredakteur sind sogar kontraproduktiv. Erstens zerstören sie Vertrauen und zweitens werden sie sowieso zurückgewiesen, wenn der Chefredakteur seinen Titel verdient.

Was es im politischen Raum sonst praktisch nie gibt, ist das Verlangen, einen Bericht nicht zu bringen, nur weil er kritisch ist. Erst recht kommt es nicht vor, dass verlangt wird, auf eine Berichterstattung über die Konkurrenz zu verzichten, wie es Strepp vom ZDF gefordert haben soll. So etwas würde schnell bekannt und dann zum Rohrkrepierer. Was hier ja auch geschah. Beides ist der Versuch eines direkten Eingriffs in die Entscheidungen einer Redaktion. Das aber ist eine Tabuzone für Sprecher, denn hier beginnt das Reich der Pressefreiheit. Kein Sender, keine Zeitung, die auch nur die geringste Selbstachtung hat, wird dem je nachgeben. Und normalerweise hat ein Sprecher sowieso keinen Schlüssel für dieses Reich, keinen Machthebel. Womit soll er drohen?

Nur beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es über die Partei- und Regierungsvertreter in den Gremien Ansatzmöglichkeiten, weswegen der Einbruchsversuch auch dort gemacht wurde. Aber er ist, wie sich erwiesen hat, erfolglos geblieben. Der Sprecher ist weg. Der Sender nicht. Und das ist auch gut so.

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