Schwere Zeiten für den "Königsmörder" Niebel

Berlin. Als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr war Dirk Niebel einer der besten. Mit seiner Kamikaze-Strategie gegen Parteichef Philipp Rösler hat er nun wohl den Absturz besiegelt. Aber Niebel wäre nicht Niebel, wenn er nicht bis zuletzt kämpfen würde. Die Liberalen wählen in drei Wochen in Berlin Präsidium und Bundesvorstand neu

Berlin. Als Fallschirmjäger bei der Bundeswehr war Dirk Niebel einer der besten. Mit seiner Kamikaze-Strategie gegen Parteichef Philipp Rösler hat er nun wohl den Absturz besiegelt. Aber Niebel wäre nicht Niebel, wenn er nicht bis zuletzt kämpfen würde.Die Liberalen wählen in drei Wochen in Berlin Präsidium und Bundesvorstand neu. Am Wochenende ließ sich Niebel (49) von seinem Landesvorstand in Baden-Württemberg als Kandidat für einen Platz in der erweiterten FDP-Spitze nominieren. Das Votum fiel einstimmig aus. Der Entwicklungsminister hat also noch Freunde in der Partei.

Rösler gehört nicht dazu. Er sei mit Niebel fertig, heißt es. Niebels "Putsch-Aufruf" an Dreikönig sei parteischädigend gewesen, im Präsidium gebe es keinen Platz mehr für ihn. Gegen Niebel könnte Wolfgang Kubicki (60) antreten, der seinen politischen Lebensmittelpunkt von Kiel in die Bundeshauptstadt verlegen will.

Bei Röslers Stellvertretern ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erneut gesetzt. Die 61-Jährige soll im Wahlkampf als "Jeanne d'Arc" der Liberalen für Bürgerrechte streiten. Neuer Parteivize dürfte Christian Lindner (34) werden. Der Chef des größten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen ziert sich noch. Rösler umgarnt seinen Ex-Generalsekretär. Je mehr Widersacher er in die Führungsmannschaft einbindet, desto stärker ist sein Schutzschild bei möglichen Misserfolgen im Wahlkampf. Auch Fraktionschef Rainer Brüderle als Spitzenkandidat ist wohl oder übel an Rösler gekettet.

FDP-Vize Holger Zastrow aus Sachsen ist ein Wackelkandidat. Rösler schätzt zwar dessen Loyalität, am Ende könnte der 44-Jährige aber nur als Beisitzer im Spitzengremium bleiben. Birgit Homburger (47) ist Röslers erste Vertreterin und sitzt auch im mächtigen Koalitionsausschuss. Sie will Nummer zwei bleiben und beruft sich auf alte Absprachen.

Rösler selbst hat gerade seine entspanntesten vier Wochen an der FDP-Spitze erlebt. Erst die 9,9 Prozent in seiner Heimat Niedersachsen, dann der Sieg im Machtkampf mit Brüderle. Dessen Sexismus-Affäre und die seltsame Aussage des Hessen Jörg-Uwe Hahn zu seinen vietnamesischen Wurzeln hat Rösler kühl kalkulierend beobachtet. Jetzt bereitet er die nächsten Schritte vor, um seine wieder gewonnene Stärke dauerhaft zu sichern.

Dazu zählt eine Rede auf dem Parteitag, bei dem Rösler am 9. März eine Bilanz seiner knapp zwei Jahre ziehen und die Erfolge in der Koalition aufzählen dürfte. Schließlich war er 2011 in Rostock, wo er 95,1 Prozent bekam, mit dem Satz "Ab heute wird die FDP liefern" angetreten. Sicher hofft Rösler bei seiner Wiederwahl auf ein Ergebnis um die 90 Prozent - vor ein paar Wochen noch undenkbar. Einen Tag später überlässt "Kapitän" Rösler dann "Sturmspitze" Brüderle das Spielfeld. Aufgabe der rund 660 Delegierten wird es sein, den 67-Jährigen frenetisch zu bejubeln und so dessen Schmerzen aus der Sexismus-Affäre zu lindern.

Brüderle wiederum wird die Basis auf einen schwierigen Wahlkampf einschwören. Denn die Union wird sich abgrenzen, um kein zweites Leihstimmen-Debakel wie in Niedersachsen zu erleben. Schon reizt die CDU die Liberalen beim Mindestlohn. Wobei die FDP gegen Lohnuntergrenzen in einigen weiteren Branchen gar nichts hätte. Einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn wird es mit den Liberalen aber nicht geben.

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