Schwarz-Gelb wird zum Handlanger der Verbände

Berlin. Undurchsichtiger Atom-Deal, jubelnde Privatkassen und Pharmakonzerne, dankbare Finanzvermittler und Hoteliers - Schwarz-Gelb muss sich immer häufiger den Vorwurf der Klientelpolitik gefallen lassen. Die Verquickung von Lobby- und Regierungsarbeit ist zwar kein Phänomen der aktuellen Koalition

Berlin. Undurchsichtiger Atom-Deal, jubelnde Privatkassen und Pharmakonzerne, dankbare Finanzvermittler und Hoteliers - Schwarz-Gelb muss sich immer häufiger den Vorwurf der Klientelpolitik gefallen lassen. Die Verquickung von Lobby- und Regierungsarbeit ist zwar kein Phänomen der aktuellen Koalition. Selten aber schaffte es ein Regierungsbündnis wie jetzt Union und FDP, sich in so kurzer Zeit den Ruf eines Handlagers von Verbänden einzuhandeln. Die Opposition nimmt jede Steilvorlage dankbar an und spricht von "Käuflichkeit". Als eine der ersten Amtshandlungen setzte die Koalition auf Druck von FDP und CSU den satten Steuerrabatt für Hotels durch. Davon profitierte auch der Hotelunternehmer und "Mövenpick"-Miteigentümer August von Finck. Von dem erhielten CSU und die FDP großzügige Spenden. Als "Mövenpick-Partei" ernteten die Liberalen danach Hohn und Spott.Sicher: Lobbyisten wollen "Argumentationshilfen" in Gesetzesverfahren geben - was keineswegs verwerflich ist. Sachverstand ist wichtig, Verbände, Experten und Gewerkschaften werden um ihre Meinung gebeten und in Parlamentsausschüssen bei Gesetzesplänen angehört. Für Entrüstung aber sorgte am Freitag eine Neuregelung für den Arzneimittelmarkt ganz im Sinne der Pharmaindustrie: Bei der Bewertung neuer Medikamente, deren Kosten oft in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen, soll künftig die Regierung Vorgaben machen und nicht wie zunächst vorgesehen ein unabhängiges Gremium. So ähnlich stand es auch in einem Vorschlag des Pharmaverbandes VFA.Über das Ziel hinaus schießt eine Regierung auch, wenn Anwälte ganze Gesetze schreiben ("Gesetzes-Outsourcing") und der Entwurf der Kanzlei eins zu eins weitergereicht wird. Wie vor gut einem Jahr im Wirtschaftsministerium unter Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) bei einem Vorschlag für ein Bankengesetz.Einen faden Beigeschmack hat es, wenn sich Abgeordnete wie FDP-Mann Frank Schäffler für Lockerungen beim Anlegerschutz stark machen. Der Finanzpolitiker pochte mit Erfolg darauf, dass freie Vermittler bestimmter Anlageprodukte nicht von der Finanzaufsicht Bafin kontrolliert werden. Pikant: Noch in diesem Frühjahr war Schäffler Berater des Heidelberger Finanzdienstleisters MLP. Wenn sich der CDU-Abgeordnete Norbert Schindler für Biokraftstoffe stark macht, ist dagegen nichts einzuwenden. Man muss aber auch wissen, dass Schindler nicht nur Agrarunternehmer ist, sondern auch Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Ethanolwirtschaft.Der Wechsel von Ex-Minister Matthias Wissmann an die Spitze des Auto-Verbandes VDA hat sich für die Lobbyisten ausgezahlt. Bei den Konjunkturpaketen der schwarz-roten Regierung setzte er zusammen mit Gewerkschaften die umstrittene Auto-Abwrackprämie durch. Jetzt wollen Wissmann & Co. staatliche Kaufprämien für Elektroautos.Dass eine Kohlesteuer ganz rasch wieder aus dem aktuellen schwarz-gelben Sparpaket flog, hat der Verband BDEW wohl seiner Chefin Hildegard Müller zu verdanken. Die Ex-CDU-Politikerin und Vertraute von Angela Merkel soll kurz im Kanzleramt angerufen haben. Vertreter der Energiekonzerne gehen seit Jahren in den Ministerien ein und aus. Das aber ist keine Besonderheit von Schwarz-Gelb. RWE-Chef Jürgen Großmann soll mit Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sogar Skat gekloppt haben.

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