Schreibers Welt funktioniert nicht mehr

Augsburg. Der Mann ist ein Phänomen: Schon seit zehn Jahren narrt der ehemalige Waffen-Lobbyist Karlheinz Schreiber die Öffentlichkeit - einschließlich eines Bundestags-Untersuchungsausschusses - mit der Ankündigung, er werde auspacken. Und nun sitzt er selbstbewusst auf der Anklagebank im Augsburger Landgericht und glaubt, seine alte Methode könnte irgendwie immer noch funktionieren

Augsburg. Der Mann ist ein Phänomen: Schon seit zehn Jahren narrt der ehemalige Waffen-Lobbyist Karlheinz Schreiber die Öffentlichkeit - einschließlich eines Bundestags-Untersuchungsausschusses - mit der Ankündigung, er werde auspacken. Und nun sitzt er selbstbewusst auf der Anklagebank im Augsburger Landgericht und glaubt, seine alte Methode könnte irgendwie immer noch funktionieren. Die besteht darin, mit dunklen Andeutungen Öffentlichkeit, Politik oder gar Justiz zu beeindrucken und so den eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Doch die Zeit ist hinweggegangen über Schreiber, über seine Spezis der Strauß- und Kohl-Ära und über ihre Art und Weise, Politik und Geschäft zu vermengen. Heute nervt der in Unehren ergraute Lobbyist nur noch, wenn er ständig den Mund spitzt, dann aber doch nicht pfeift. Der einzige aktive Politiker, dem Schreiber noch ein bisschen unangenehm werden könnte, ist Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Aber auch der wird voraussichtlich unbeschadet überstehen, was der Angeklagte in Augsburg an Andeutungen noch so von sich geben mag. Der "Schreiber-Komplex", der in den 90er Jahren die Republik wenn nicht erschütterte, so doch verstörte, ist in ein stinknormales Steuerstrafverfahren eingemündet. Wenn Schreiber glaubt, er könne einer langjährigen Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe dadurch entgehen, dass er ungenannte oder inzwischen verstorbene Politiker als Bezieher seiner Provisionsmillionen benennt, dann täuscht er sich. Dass Schreiber die Millionenbeträge von Airbus, MBB, Thyssen und anderen erhalten hat, das bestritt nicht einmal er selbst. Und das reicht für eine Verurteilung aus. Schon am gestrigen ersten Prozesstag machte der Gerichtsvorsitzende dem seltsam frohgemut auftretenden Angeklagten klar, dass es nicht ausreiche, sich nur als Geldbriefträger auszugeben, aber weder Absender noch Adressaten zu benennen. Einen der Empfänger glaubte die Justiz schon vor Jahren enttarnt zu haben: Auf Max Strauß, den ältesten Sohn des früheren bayerischen Ministerpräsidenten, deutete ein Schreiber-Konto mit der Bezeichnung "Maxwell" hin. Strauß junior jedoch wurde bekanntlich freigesprochen, nachdem der Bundesgerichtshof eine erste Verurteilung wegen Steuerhinterziehung aufgehoben hatte. Dennoch liegt weiterhin der Verdacht nahe, die Familie des langjährigen bayerischen Regierungschefs könnte mehr profitiert haben als bekannt. Das Argument, Franz Josef Strauß könne mit diesen Geschäften gar nichts zu tun gehabt haben, weil er schon 1988 gestorben sei, nannte Schreiber selbst "einen großen Unsinn". Die einschlägigen Projekte hätten allesamt eine "mehrjährige Vorbereitungsphase" gehabt. Strauß sei "der wichtigste Partner auf deutscher Seite" und mit Ausnahme des Spürpanzer-Geschäfts an der Planung und Vorbereitung aller Geschäfte "maßgeblich beteiligt" gewesen, plauderte Schreiber unaufgefordert und fügte hinzu: "Die Zusagen, die ich ihm gegeben habe, habe ich auch nach seinem Tod gehalten." Warum sagt der Mann so etwas? Sollen damit noch rasch einem Toten ein paar Millionen in die Schuhe geschoben werden?Interessant wäre es schon, würde Schreiber tatsächlich noch herausrücken mit Namen von Parteien und Personen, die damals in den Genuss der "Provisionen" kamen. Doch daran glaubt kaum noch jemand.

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