Schluss mit Wegducken

Meinung · Das größte Problem von José Manuel Barroso besteht darin, dass sein Name bisher für nichts steht. Gestern bekam er eine zweite Chance - was immer ihm seine Kritiker und Gegner vorhalten, er kann sie nun eines Besseren belehren. Und den Europäern zeigen, dass er eine gute Wahl ist

Das größte Problem von José Manuel Barroso besteht darin, dass sein Name bisher für nichts steht. Gestern bekam er eine zweite Chance - was immer ihm seine Kritiker und Gegner vorhalten, er kann sie nun eines Besseren belehren. Und den Europäern zeigen, dass er eine gute Wahl ist. Ist er das? Dazu müsste der EU-Kommissionspräsident sein (oder werden), was er selbst und seine Unterstützer behaupten: Er müsste führen, Visionen entwickeln, Perspektiven aufzeigen. Barroso darf nicht mehr warten, bis welcher Vertrag auch immer in Kraft tritt - die Union muss Fahrt aufnehmen. Dass Staats- und Regierungschefs in diesem Europa ihre innenpolitischen Süppchen auf dem Brüsseler Feuer kochen, stimmt. Aber das ist kein Grund, sich beim Entwickeln neuer Versuche noch länger zurückzuhalten. Die Bilanz der vergangenen Monate ist wahrlich nicht berauschend: Von den oft beschworenen Konsequenzen aus der Finanzmarkt-Krise ist bisher keine wirklich beschlossen. Der Aufbruch in Sachen Klimaschutz dümpelt vor sich hin, die Milchbauern warten auf Lösungen, und bei der inneren Sicherheit darf das EU-Mitglied Italien mit Flüchtlingen umgehen, als sei das Asylrecht noch nicht erfunden worden. Barroso trat bei all diesen Fragen nicht in Erscheinung. Jetzt muss er auftauchen.Die Krise hat aus den EU-Mitgliedern zum Egoismus neigende Neider gemacht. An die Stelle einer Union ist der reine Protektionismus getreten. Es geht nun nicht etwa darum, das Hohelied vom freien Markt anzustimmen. Aber jemand muss darlegen, was das Credo "Jeder Markt braucht Regeln" wirklich bedeutet. Vielleicht der alte und neue Kommissionspräsident? Wer sonst, wenn nicht er?Barroso ist bisher viel schuldig geblieben, warum auch immer. Er sollte jetzt nachliefern. Dazu gehört vor allem der Entwurf einer Kommission, die wirklich ein großer Wurf ist. Da hat Barroso zwar nur begrenzten Einfluss, weil die neuen Kommissare von den Mitgliedstaaten abgestellt werden. Aber der Präsident muss auch nicht jeden nehmen, den man ihm anbietet. Und vor allem muss er die Ressorts so zuschneiden und verteilen, dass einerseits ein schlagkräftiges Team, andererseits aber auch eine effektiv arbeitende Mannschaft entsteht. Was soll, bitteschön, ein Kommissar für Vielsprachigkeit?Barrosos Fehler war bisher, den Rahmen zu akzeptieren, den die Regierungen der Mitgliedstaaten vorgaben. Das hielten ihm Teile des Straßburger Parlamentes mit Recht vor. Der Kommissionschef muss zeigen, dass er mehr drauf hat: Regierungen bewegen, Europas Volksvertretung überzeugen und einen, die Bürger mitreißen. Ob Barroso dazu genügend Potenzial hat?

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