Schlagbäume fallen nun auch bei der Gesundheit

Saarbrücken. Wer beim Ausflug nach Lothringen vom Rad fällt und sich den Arm ausrenkt oder sich beim Wandern in Luxemburg ein Bein bricht, kann schon heute dort behandelt werden und die Kosten erstattet bekommen

Saarbrücken. Wer beim Ausflug nach Lothringen vom Rad fällt und sich den Arm ausrenkt oder sich beim Wandern in Luxemburg ein Bein bricht, kann schon heute dort behandelt werden und die Kosten erstattet bekommen. Handelt es sich aber nicht um einen Notfall, sondern befindet sich nur der Arzt des Vertrauens oder das gewünschte Krankenhaus jenseits der Grenze, so war das bisher mit vielen rechtlichen und bürokratischen Hürden verbunden. Gerade für die vielen Grenzgänger in der Großregion Saar-Lor-Lux war diese Situation schon lange ein Ärgernis.Jetzt soll ein neues Kapitel für die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung aufgeschlagen werden. Das Europäische Parlament stimmt heute in Straßburg über die Verbesserung der "Patientenmobilität" in den 27 Mitgliedstaaten der EU ab. Patienten können künftig wählen, ob sie sich bei einem Arzt oder in einer Spezialklinik eines anderen EU-Landes behandeln lassen. Eine Vorabgenehmigung durch die Kasse ist bei ambulanten Behandlungen nicht mehr nötig. Erstattet werden die Behandlungskosten zu den im Heimatland geltenden Sätzen. Bei langfristig geplanten stationären Aufenthalten muss die Kasse zwar vorher zustimmen. Das Parlament wird in seinem Beschluss aber sicherstellen, dass deren Entscheidung auf engen Kriterien beruht, um Willkür und Protektionismus zu verhindern. Darüber hinaus hat das EP ein Gutscheinsystem durchgesetzt, das eine stationäre Behandlung auch ohne Vorkasse ermöglicht. Dies gewährleistet, dass nicht nur Begüterte Gesundheitsdienste jenseits der Grenze in Anspruch nehmen können.

Grenzregionen werden von der neuen Regelung besonders profitieren. Bei ambulanten Behandlungen wird für die Bürgerinnen und Bürger die Auswahl größer und die Bürokratie geringer. Bei Erkrankungen, die eine spezielle Pflege erfordern, verbessert sich der Zugang zur Gesundheitsversorgung, wenn Einrichtungen diesseits und jenseits der Grenze, aber nah der Heimat (wie die Herzklinik in Völklingen oder die Hautklinik in Nancy) in Anspruch genommen werden. Damit erhöhen sich Qualität und Sicherheit der Versorgung für alle Menschen, unabhängig von der Herkunft. Die neue EU-Richtlinie sieht die Einrichtung von Informationszentren vor, in denen man sich über die besten Behandlungseinrichtungen im In- und Ausland informieren kann, ebenso wie über Regelungen zur Kostenerstattung - bisher häufig ein Buch mit sieben Siegeln.

Doch die EU-Regelung macht es auch für die Bediensteten im Gesundheitswesen einfacher, grenzüberschreitend zu arbeiten und Kosten transparenter und unbürokratischer abzurechnen. Damit wird ein Grundstein für eine bessere Zusammenarbeit der nationalen Gesundheitssysteme gelegt, was sich kostensparend in allen EU-Staaten auswirken kann. Für die Großregion ist das eine Chance, Kooperationen auszubauen und neue Formen der Zusammenarbeit im Interesse der Patienten zu entwickeln.

Ziel der EU-Gesundheitspolitik ist es, allen Bürgerinnen und Bürgern Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung zu ermöglichen und Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten Schritt für Schritt abzubauen. Das Parlament hat lange mit den EU-Mitgliedstaaten gerungen, um die Interessen der Patienten gegen engherzige einzelstaatliche Vorbehalte durchzusetzen. Jetzt können die Menschen auch bei der Gesundheit an den Freiheiten des EU-Binnenmarkts teilhaben und von den besten Fortschritten der modernen Medizin profitieren.

Jo Leinen (SPD) ist Vorsitzender des Ausschusses für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Europäischen Parlament.

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