Schicksalstage für Schwarz-Gelb

Meinung · Kein politisches Amt steht so haushoch über den Parteien wie das des Bundespräsidenten. Einen Kandidaten in dieses Amt zu bringen, ist gleichwohl eine zutiefst parteipolitische Angelegenheit. Mit dieser widersprüchlichen Gemengelage muss die schwarz-gelbe Koalition jetzt auch noch klarkommen

Kein politisches Amt steht so haushoch über den Parteien wie das des Bundespräsidenten. Einen Kandidaten in dieses Amt zu bringen, ist gleichwohl eine zutiefst parteipolitische Angelegenheit. Mit dieser widersprüchlichen Gemengelage muss die schwarz-gelbe Koalition jetzt auch noch klarkommen. Schon vor dem spektakulären Rückzug Horst Köhlers waren die Zweifel am Fortbestand dieser Regierung nicht gering. Schwarz-gelbe Mehrheit in Düsseldorf futsch, Roland Koch in Hessen demnächst weg, dazu die Euro-Krise und das koalitionäre Gezerre bei der notwendigen Haushaltskonsolidierung. Es sind wahrlich Schicksalstage für Angela Merkels Kabinett.Zweifellos hat Köhlers Kurzschluss-Reaktion das Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen weiter beschädigt. Das weiß natürlich auch die Kanzlerin. Schon deshalb propagiert Merkel die Wahl eines Konsens-Kandidaten, der zwar von Schwarz-Gelb benannt, aber auch in möglichst weiten Teilen der Opposition akzeptiert werden soll. Dabei fällt auf, dass derzeit fast nur Namen von Unionsmitgliedern kursieren. Ein Ernst zu nehmender Liberaler ist nicht darunter. Und so dürfte die FDP bei Merkels Worten hellhörig geworden sein. Denn was würde ein parteiübergreifender Kandidat bedeuten? Er wäre auch der Favorit einer großen Koalition aus Union und SPD. Genau davor aber graust es den Freidemokraten. Für die Bevölkerung wäre es dagegen sicher ein Idealfall, könnten sich Koalition und Opposition auf eine würdige, kompetente Köhler-Nachfolge verständigen. Eine Persönlichkeit wie Ursula von der Leyen würde dieses Profil noch am ehesten erfüllen. Sie sitzt zwar im Bundeskabinett, aber womöglich würde eine Regierungsumbildung sogar frischen Wind in die angeschlagene Koalition bringen. Auch bei einem anderen heißen Anwärter fiele es allen Seiten schwer, etwas Hinderliches ins Feld zu führen: Norbert Lammert ist schließlich schon Präsident, nämlich des Bundestages, und damit von Amts wegen eine parteiübergreifende Erscheinung.Gelingt es Merkel, eine Persönlichkeit von diesem Schlage für das höchste Staatsamt zu nominieren, wäre das nicht nur ein Beweis für Vernunft und Pragmatismus in der Koalition. Vor allem die FDP würde damit signalisieren, dass sie über ihren Schatten springen kann. Vielleicht bedurfte es ja sogar eines plötzlichen, einschneidenden Ereignisses, damit Schwarz-Gelb endlich zur Besinnung kommt und politisch an einem Strang zieht. Binnen weniger Wochen einen beispiellosen Sparhaushalt aufstellen und die Nachfolge Köhlers regeln - das ist zweifellos eine Herkulesaufgabe. Die amtierende Regierung kann daran wachsen oder zerbrechen.

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