Sarkozys „graue Eminenz“ gerät unter Druck

Paris · Als Kunstliebhaber war Claude Guéant bislang nicht aufgefallen. „Kardinal“ lautete der Spitzname des engen Vertrauten des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der Guéant erst zum Generalsekretär des Elysée-Palastes, dann zum Innenminister machte.

Er galt als dessen graue Eminenz, als "Präsidenten-Flüsterer", der fruchtbare Bande zu Schlüsselfiguren in mehreren arabischen Ländern wie Tunesien, Algerien, Syrien und auch Libyen pflegte. Bei den Untersuchungen zum Verdacht, Sarkozy habe sich im Wahlkampf 2007 vom früheren libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi illegal sponsern lassen, stießen Ermittler bei einer Hausdurchsuchung nun auf dubiose Bargeldzahlungen und Überweisungen auf Guéants Konto, die dieser ebenso dubios rechtfertigte.

Eine halbe Million Euro stamme demnach aus dem privaten Verkauf zweier Gemälde eines flämischen Malers des 17. Jahrhunderts, Andries van Eertvelt, an einen befreundeten malaysischen Anwalt, dessen Namen er gegenüber der Justiz, nicht aber in der Öffentlichkeit preisgeben wolle. Die Bilder zeigen "Boote im Sturm" - und in diesem befindet sich auch Guéant. Er hatte nicht nur zeitweise den Namen des Malers vergessen, dessen Werke ihm die erkleckliche Summe eingebracht haben sollen. Entgegen seiner Versicherung, er habe alle nötigen Nachweise für das Geschäft, hat er dem Kulturministerium zufolge nie eine Ausfuhr-Erlaubnis beantragt, wie es bei Gemälden von diesem Wert Vorschrift ist. Kunstexperten schätzen diesen zudem auf jeweils zwischen 12 000 und 140 000 Euro, ohne jedoch einen lukrativeren Handel auszuschließen. Weitere bar ausgeführte Zahlungen von bis zu 25 000 Euro erklärt Guéant mit im Innenministerium üblichen Prämien von 3000 bis 5000 Euro pro Monat, die bar ausgezahlt und nicht versteuert wurden - ihm zufolge eine "alte und öffentlich bekannte Praxis, von der tausende Polizeibeamte profitierten und die man nicht von heute auf morgen ändert". 2006 habe er sie jedoch abgeschafft.

Doch auch dazu gibt es widersprüchliche Aussagen. Während ehemalige Kabinettsmitglieder die Existenz von nicht auf dem Gehaltszettel vermerkten Prämien und "Geheimfonds" leugnen, scheinen Sonderzahlungen in der Polizei noch immer an der Tagesordnung zu sein. "Wir haben hier einen ehemaligen Minister, der dem ganzen Land enthüllt, dass er jahrelang den Fiskus betrogen hat", sagt ein Steueranwalt in der Zeitung "Libération". Wenn es ein stillschweigendes Abkommen mit den Steuerbehörden gegeben habe, handele es sich um einen Staatsskandal.

Innenminister Valls hat eine Untersuchung über das angebliche Prämien-System im Polizeidienst angeordnet. Guéant hingegen kritisiert die Veröffentlichung der Ermittlungen in der Presse und weist den Vorwurf zurück, es könne sich um illegale Geldwäsche handeln. Sarkozys Wahlkampfkasse sei überprüft und für gültig erklärt worden. Tatsächlich aber besteht nicht nur der Verdacht, er habe sich vom früheren Regime in Tripolis sponsern lassen, was auch Gaddafis Sohn Saif behauptet hat. Die französische Justiz ermittelt auch zum Verdacht, er habe die geistige Altersschwäche der L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt ausgenutzt, um illegale Wahlkampfspenden von der Milliardärin zu erhalten.

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